Das Labyrinth der Träumenden Bücher, Walter Moers: Rezi, mal wieder

Vorweg: ich bin höchst voreingenommen, was Moers und insbesondere seine Zamonien-Roname (bzw. Übersetzungen) angeht. Sprich, ich bin geneigt, seine Geschichten großartigst zu finden und gestehe gern, beim ersten In-der-Hand-halten von „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ (Danke, st.!) zum ersten Mal seit dem zweiten Band Herrn der Ringe wieder dieses unglaublich starke Vorfreudegefühl verspürt zu haben, das Moers selbst im Buch auch erwähnt: man mag platzen vor Glück drüber, dass man dieses Buch noch nicht gelesen hat und nun zum ersten Mal lesen kann.

An sich wollte ich gestern schon einen ersten Eindruck nach den ersten hundert Seiten tippern, aber ich zog es dann vor, weiterzulesen und die Kiste auszulassen. Vor dem nun folgenden Lob (und einigen Anmerkungen) kurz die Warnung: gespoilert wird nicht wirklich, aber es gibt natürlich die eine oder andere inhaltliche Auslassung und ein paar Sätze zur Struktur des Buches. Wer nicht mal sowas vorher wissen will: selber kaufen gehen, lesen, dann wiederkommen.

Also. Das „Labyrinth der träumenden Bücher“ spielt zweihundert Jahre nach der „Stadt der träumenden Bücher“ und behandelt Hildegunst von Mythenmetz‘ Rückkehr in die Stadt, die er vormals nach seinem Weg durch die Katakomben brennend zurückließ. Er kommt in ein vollkommen neu aufgebautes Buchhaim, das – man mag sagen „wie gewohnt“ wunderbarst beschrieben ist, aber Moers‘ Beschreibungen sind einfach immer noch mal ne Klasse für sich. Bunt, liebevoll und mit allen fünf Sinnen beschrieben, bitte noch ein paar Superlative randenken.

Das Buch selber ist, ich mags gleich vorweg sagen, „ereignisärmer“ als jetzt die Stadt der träumenden Bücher oder selbstredend Rumo, und ich muss gestehen: das war das einzige, was mich zwischenrein etwas betrübte. Wie die „Stadt der träumenden Bücher“ eine Hommage ans Buch und ans lesen war, ist das „Labyrinth“ eins ans Theater und speziell ans Marionettentheater, und Moers nimmt sich viel Zeit und Platz, um selbiges zu beschreiben. Das tut er auf so großartige Weise, dass es schlicht Freude macht zu lesen, aber er schafft es auch, über fünfzig Seiten die Geschichte des Vorgängerbandes nochmal (in Form einer Theateraufführung) zu erzählen. Da bin ich ein wenig unschlüssig, ob das ein wenig zu viel Selbstverliebtheit ist; oder ein Winken mit dem ganzen Zaun an die Musicalbranche, nach dem Blaubär nun auch die „Träumenden Bücher“ auf die Bühne zu bekommen (und wie es dann bitteschön zu geschehen habe) oder eben kaum weiter kürzbare Geschichte, die eben in die Gesamtdramaturgie gehört.

Kürzungen. Die Puppentheaternotizen von Mythenmetz (dessen gelegentliche Langatmigkeit vom Übersetzer Moers‘ schon öfter und auch hier beklagt wurde) seien drastisch gekürzt worden, bei diesen wiederum lachte ich gelegentlich dermaßen beim Lesen, ich hätte auch nochmal soviele Aufzeichnungen vertragen. Es wird ne Geschmackssache sein. Letztendlich ertappt man sich ohnehin immer beim ängstlichen Gucken auf den rapide dünner werdenden Block Seiten, die man noch lesen darf. Wenn ich schon bei Mythenmetz selbst bin: der ist in Hochform, was seinen Erzählstil angeht, für meinen Geschmack genau richtig, was das Erzählen, die unvermeidlich eingestreuten persönlichen Befindlichkeiten (wir reden ja von einem hypochondrischen Saurier auf der Höhe seiner literarischen Karriere) und die Leseransprache angeht.

Zu lesen gibts aber noch mehr, denn zum einen ist der Schluss Cliffhanger galore und zum anderen macht das „Labyrinbth der träumenden Bücher“ dermaßen wieder Fässer auf von Orten und Begebenheiten und Phänomenen, die gestreift werden und bei denen man sofort denkt, da muss noch was passieren!, dass es kaum auszuhalten ist.

Die kleinen Details: es gibt wieder viele Anagramme zu entschlüsseln, neben den Autoren kommen diesmal auch Komponisten zur Ehre, mit einem zamonischen Äquivalent ausgestattet zu werden. Anspielungen und Zitate gibt es darüber hinaus natürlich in massiger Zahl, vom „Tauben vergiften im Park“ bis zur Kurztheaterkritik von „Warten auf Godot“, allein deshalb ist es einmal wieder eine Lust zu lesen. Neben dem Litaeraturbetrieb wurde im „Labyrinth…“ das Theater umfassend behandelt – auch hier meine ich rauszulesen, dass Moers (wie auch sein Mythenmetz) einige Zeit bei der Quellenforschung zugebracht und sich seine Gedanken zu Boal oder Johnstone gemacht hat, wahrscheinlich wird es ähnliche Vordenker und Gestalter auch fürs Figurentheater gegeben haben, nur kenn ich die eben nicht. Und wie manchmal gibts auch die kleine Remineszenz an „Schöner leben mit dem kleinen Arschloch“, wo dann die Wirkungen mancher Kräuter, Kekse, Rauchwaren und Tees einmal mehr so liebevoll und dennoch beiläufig eingeflochten werden, dass der Exkiffer in mir ein wenig selig-nostalgisch grinst.

Was soll ich sonst noch sagen: ich hab lang nicht mehr mit so viel Spass ein Buch gelesen, auch wenn ich gelegentlich über besagte „Ereignisarmut“ ein wenig betrübt war, aber ich denke, das wird sich mit dem Folgebuch legen, denn die Bühne ist aufs beste bereitet.

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2 Responses to Das Labyrinth der Träumenden Bücher, Walter Moers: Rezi, mal wieder

  1. ackerpaul sagt:

    jetze bin ich aber mal die inkarnation eines flitzebogens. werde gleich morgen lostigern und mich ausstatten.

    super vorleselektüre!?

  2. Avatar-Foto Korrupt sagt:

    Bedingt, aber an sich auf jeden Fall :o) . Wie gesagt, es gibt eben viel Passagen, in denen einfach nur erklärt und beschrieben wird. Man kanns vorlesen, einfach weils ja auch toll beschrieben ist und weil Mythenmetz ja einen sehr vorlesegeeigneten Erzählstil hat. Wenn du den Blaubär vorgelesen hast: da sind ja auch die ellenlangen Beschreibungen von Atlantis drin, die fand ich vorlesetechnisch etwas mühsam, und da ist das Labyrinth auf jeden Fall vorlesefreundlicher, aber eben keine Anneinanderreihung von Action wie eben das Extrembeispiel Rumo.

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