Magisterarbeiten…

…seh ich ja immer so als Initiationsritus. Anderswo wurden die angehenden Krieger tätowiert, in Ameisenhügeln gewälzt und vierzig Tage in den Dschungel geschickt, um Entbehrungen und Qual ertragen zu lernen. Heute läßt man sie wissenschaftliche Abschlussarbeiten schreiben. Das ist aus eigener und anderer Erfahrung ein Schmerz im Arsch, aber hey, hinterher hat man ein Magisterzeugnis.

Was man auch hat: den Beweis angetreten, dass man wissenschaftlich arbeiten kann und verdientermassen Teil der Scientific Community ist. Die, wage ich mal naiv-optimistisch zu behaupten, davon lebt, dass Wissen ausgetauscht und zugänglich gemacht wird. Das gilt vor allem dann, wenn man bei der Arbeit auf Dritte angewiesen war – die Daten und Informationen lieferten.

Nehmen wir mal den hypothetischen Fall, jemand macht eine Studie über Filesharing. Fragt in einigen Foren rum, kriegt Links für den Fragebogen und einige hundert Antworten. Das Beantworten der Fragen zum Fragebogen, das Reden mit misstrauischen und paranoiden Usern überläßt man den dortigen Mods und Admins, den Link fallenlassen reicht ja, wenn man mit dem Forschungsfeld kommunizieren will. Nun ja.

Dann macht man die ersten Auswertungen, mailt die raus und freut sich, dass man schon ein wenig Publicity kriegt, weil darüber dann ja getickert wird. Anschliessend aber natürlich viel Arbeit, und hey, ich weiss, wie viel das ist.

Dann ist das Teil fertig und wird abgegeben, die Unterstützer werden benachrichtigt, dass das Teil nun online ist – für knappe sechzig Euro auf einem Portal für Abschlussarbeiten.

Nun ja, schöner Stil ist das vielleicht nicht, aber es bleibt jedem natürlich überlassen, zu welchen Preisen, Konditionen und Lizenzen da ein Text angeboten wird, der im Zweifelsfall ja auch für lau in der jeweiligen Unibibliothek steht. Natürlich ist es kein netter Zug, wenn man seinem Feld so elementare Erkenntnisse verdankt, dass z.B. Tauschbörsen genutzt werden, weil die Musik dort keinen Kopierschutz hat, die Info gratis und frei Haus kriegt und sie anschließend für gutes Geld verkauft. Aber man kann niemanden zur CC prügeln, und das soll auch gar nicht meine These sein.

Was mich wirklich ärgert: wenn man nachfragt, was das soll, und zur Antwort bekommt, das dient dem Schutz vor Plagiaten. Weil dann frage ich mich wirklich, wie kann man ein halbes Jahr zu einem Internet-Thema arbeiten und nicht wissen, dass eine für 60 Euren vertickte Mag nach Plagiaten geradezu schreit? Wenn ein Prof wissen will, ob eine bei ihm abgegebene Arbeit von meiner Mag geklaut ist, muss er nur ein paar Formulierungen googlen gehen, einschlägige Tools gibts ja. Dann landet er auf der zuviel.org oder eben nicht. Aber die Unibib soll man mir zeigen, die das Geld hat, sich für sechzig Euren die Magisterarbeiten zu shoppen. Wie die Bibliotheksmittel zusammengestrichen und die Zeitschriftenabos gekündigt wurden, hab ich über Jahre hinweg live mitverfolgen können. Und ja, ich weiss, bei Grin kann man auch suchen.

Wie gesagt, mir gehts nicht drum, dass da jemand meint, ne Mag für sechzig Euren verticken zu müssen, auch wenn das die Preisliga ist, in der ich allenfalls ein paar Standardwerke hier rumstehen habe, ohne die man einfach nicht glycklich wird. Mir gehts um das offenbar fehlende Hintergrundwissen über das Netz, obwohl grade der Beweis angetreten werden sollte, dass man die Fähigkeit besitzt, eine wissenschaftliche Facharbeit zu einem Netzthema zu schreiben. Sowas in der Art von „Von DRM hab ich aus den Kommentaren zur Umfrage erfahren“ ist da nur der Punkt auf dem I.

Und jetzt klaue ich mal dreist bei DonAlphonso und frage, soll man sich da einfach so aufregen oder gleich die Tickermeldung verlinken, auf ein paar Ein-Post-Accounts zum Datenabgreifen hinweisen, wo es nicht mal für ein Danke reichte, aber immerhin zum crossposten? Und dann einfach mal fragen: Dafür 54,90?

Kategorie: das richtige leben im falschen. permalink.

7 Responses to Magisterarbeiten…

  1. Greg sagt:

    Wie man die Note 1.5 bekommen kann, wenn man nicht weiß, dass das World Wide Web nichts mit P2P-Tauschbörsen zu tun hat und kein Synonym für Internet ist, geht mir nicht in den Kopf. Ein ebenfalls ahnungsloser Prof. wäre natürlich eine Erklärung.

    In sogenannten Tauschbörsen schließen sich diese Internetznutzer mit Gleichgesinnten zu ganzen Netzwerken zusammen, um Filesharing zu betreiben, d.h. digitale Inhalte, vornehmlich Musik und Filme, über das World Wide Web zu tauschen bzw. voneinander zu kopieren.

  2. madchiq sagt:

    Als ob die Profs an der Uni durch sowas steigen wuerden.
    Einleitung, Schluss… schluessig.

    Ansonsten, danke fuer den Tipp, ich ueberleg schon die ganze Zeit, wie ich die Kosten fuer meine Dipl. wieder reinbekommen… ^^

  3. plagiat sagt:

    wenigsten haelt sich frau deiss an ihr ergebniss: hoher bildungsabschluss, differenzierte Nutzungsweise und leechen was das zeug haelt.

  4. Korrupt sagt:

    Das erinnert mich an unsere Methodik im Internationalen Lernen: das Feld als Gruppe von Experten auffassen, von denen der Forscher lernt und in permanenter Wechselwirkung steht, statt das haeufige Macht/Wissensgefaelle zwischen Forscher und Feld zu pflegen. Nun ja, hier wars wohl ein wenig einseitig, aber ich denk, das ist ausbaufaehig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert