Beängstigend: Die Kunst des klaren Denkens, von Rolf Dobelli

Dobelli zu Irrtümern. Lieder nicht zu denen seiner Klappentextschreiber.

Dobelli zu Irrtümern. Lieder nicht zu denen seiner Klappentextschreiber.

Ich les an sich keine Ratgeberliteratur, auch (bzw. schon gar) nicht solche „für Manager“ oder ähnliche Flughafenlektüre. Rolf Dobellis „Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen.“ will ich an der Stelle auch nicht ernsthaft rezensieren oder gar empfehlen, dafür ist das Büchlein einfach zu flach. Wer auf leicht fortgeschrittene Küchenpsychologie und ein paar elementare Basics in Statistik und Stochastik steht, ja nun. Bei Muttern lags rum, und ich dachte, schau dir den Kram mal an, kannste mitreden. Die 52 beschriebenen Denkfehler erschienen wohl in der FAZ und der Schweizer Sonntagszeitung, und für ein bisschen Wirtschaftsfeuilleton werden sie es auch getan haben.

Beschrieben werden psychologische, statistische, stochastische und soziale Prozesse, die regelmäßig zu Fehleinschätzungen führen. Lineare Trends setzen sich nicht fort, exponentielle schon gar nicht, korrellierende Phänomene sind nicht notwendigerweise kausal, Aufmerksamkeit richtet sich auf Gewinner und herausragende Phänomene und nicht auf die überwiegende Masse des Mittelmaßes und der Verlierer, in Gruppen wird Verantwortung und Arbeit diffundiert, und gibt man einer Horde Schimpansen Schreibmaschinen und ausreichend Zeit, dann schreibt einer davon Hamlet. Und so weiter, das ganze gespickt mit einer Latte Warren Buffet-Zitaten („Wir beschäftigen 60.000 Ökonomen, deren Job es ist, Zinsschwankungen und Rezessionen zu prognostizieren, und wenn es einer von ihnen zweimal nacheinander korrekt hinbekäme, wäre er Millionär. Soweit ich weiss, sind alle noch Angestellte, und ich glaube, das sollte uns etwas sagen.“) und fertig ist das kompakte Managerbüchlein, das wahrscheinlich eben die eine oder andere Warterei in der Airportlounge mit einem gewissen Selbstbildungsgefühl versüßen soll.

Und nun will ich an sich gar nicht den Dobelli übermäßig ans Bein pissen, denn wahrscheinlich gibts genügend Leute, die den Kram halt nicht kennen und durchaus mit Erkenntnisgewinn und einem gewissen Unterhaltungswert seine Kurzbetrachtungen lesen können und meinetwegen auch sollen.

Warum ist das Buch nun also beängstigend? Weil es von CEOS von Roland Berger und McKinsey, einem Lufthansavorstand, einem Prof einer London Business School und noch ein paar illustren Wirtschaftsakteuren über die Hutschnur als unglaublich geistreich, intellektuell, augenöffnend und lebensverändernd(!) gepriesen wird und selbst wenn ich die übliche „Hey, du kannst mir doch sicher was nettes für den Klappentext schreiben“-Schiene an sich eh nicht ernst nehmen kann und sollte: himmelherrgottverdammt nochmal, verhält es sich tatsächlich so, dass die relevanten Entscheidungsträger über die Ökonomie dieses Planeten tatsächlich eine solche Ansammlung von Küchenpsychologie und abgestandenen statistischen Binsenweisheiten als aktuelle(!), geistreiche und erkenntnisfördernde Pflichtlektüre, noch schlimmer, als Pflichtlektüre FÜR CEOs sehen? WAS VERDAMMTE HACKE LERNEN DIE DENN IN IHREN VERDAMMTEN MANAGERSEMINAREN? WIE UNBELECKT VON DRITTSEMESTER-GRUNDWISSEN KANN MAN DENN ALS CEO DEN WIRTSCHAFTLICHEN WELTENLENKER GEBEN? WIE VOLLER SCHEISSE MUSS MAN SEIN, UM SOLCHE WÜRSTE ZU KACKEN?

(Sorry fürs Rumbrüllen. Quellen: Ich meine, eine Variation meines letzten Satzes hab ich irgendwo bei Bukowski gelesen. Den Dobelli selber lieh meine Mutter aus der Ortsbücherei aus, ich empfehle Neugierigen dasselbe.)

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