Porn-Nachträge: Ein Nachruf und Makelovenotporn

RIP, Miss Coral Korrupt

Den (sehr späten) Nachruf zuerst: MsCoralKorrupt ist tot. Letzes Jahr ergab sich durch die Verkettung nicht unbedingt zusammengehörender Umstände, dass ich was für ihre Krebstherapie spendete, und eine Weile kriegte ich mit, dass alles schwierig, aber nicht ganz hoffnungslos sei, und dann hatte ich sie nicht mehr wirklich auf dem Schirm. Sie starb letzten Juni. Ich kann mir nicht helfen, es gingen nur zwei Tweets hin und her, das war an sich alles, aber es macht mich traurig. Und so trivial es klingt: ein so endender Twitterfeed macht mich beklommen – einige sehr endgültige 140 Zeichen, und dann der zynische Nachtrag von den Sale-Scripten.

Make Love, not Porn: Pornmythen dekonstruieren

Ich war am ein, zwei Sachen nachrecherchieren, die im Zuge der Jugendarbeits-Konferenz am Freitag zur Sprache kamen: mich störte, dass es keine wirklich (mir?) bekannte Pornmythen-Dekonstruktionsseite gibt, die, sagen wir mal, FSK16-mäßig einfach zum schnell wo reintwittern, weitergeben, empfehlen taugt, wenns notwendig wäre. Mit der Einschränkung: es gibt eine, auf Englisch, und es ist ewig her, dass ich auf sie gestoßen bin und sie fiel mir danach nie wieder ein. Das Thema ist schwer googlebar, nun fällt mir beim Alt-Texte nachgucken, dass ich sie bereits schon mal verlinkt hatte: die Porn Myths-Dekonstruktion von Makelovenotporn.

Porn vs. Realität

Damals schon moniert, hier per Deeplink übersprungen: die Seite hat eine „Bist du 18?“-Abfrage. Ich bin mir weiterhin sicher, die „Myths“-Sektion ist seitdem nicht angefasst worden. Himmel, es sind zehn Punkte, die schon eine ganze Menge abdecken, aber ich wüsste aus dem Stand nochmal so viele. Klar, um den Punkt „in echt ists anders“ zu machen, reicht es ja aus und man darf ja gern auch irgendwann anfangen, selber zu denken, aber ein wenig schade ists schon, dass das dabei stehenblieb an der Stelle.

Kuscheln gucken, its a thing

Eines der Statements von Nicola Döring zum Thema Porn war sinngemäß, dass es sich eben um die Inszenierung von Phantasien handele, die nicht notwendigerweise was mit den tatsächlichen erotischen Bedürfnissen eben auch der guckenden Leute zu tun hätten: weil man Porn eben nicht dafür schaue, um andere bei einer halben Stunde kuscheln und Nackenkraulen zu betrachten, selbst wenn man selber Kuscheln und Nackenkraulen höchst angenehm fände. Ich fand mich zustimmend nicken, also stellt euch mein Entsetzen vor, als ich nun feststellte, dass makelovenotporn seit 2009 zwar nicht die Pornmythendekonstruktion ausbaute, seitdem stattdessen aber eine Amateurpornsite hochzog ein Angebot alternativer Videoerotik losgetreten hat, das sich in mehrfacher Hinsicht von den einschlägigen Dirty Hobbys und Privatpornsites unterscheidet: Es scheinen sehr viele „normale Liebespärchen“ ihre Filme einzustellen, der Anspruch ist der, „realen Sex“ zu zeigen, der auf reale Wünsche/Bedürfnisse aller Beteiligten eingeht und der die Befriedigung/den Genuss über die porntypische Dramatik und einschlägige Kameraeinstellungen stellt. Dazu eine Reihe Essays, die nicht zuletzt die „Wenn Porn eure Sex Ed ist, dann verpasst ihr leider viel“-Message kicken.

Ich bin unsicher, was ich davon halten soll. Es scheint mir schlicht handwerklich schlecht gemacht, eine durchaus FSK16-fähige Infoseite ohne jeglichen realen Bildcontent an eine explizit pornvideo-anbietende Domain zu knoten (das eine ist .com, das andere .tv, aber auf die .com-Infos kommt man über eine gemeinsame Einstiegsseite, die eben auch und gerade die .tv-Inhalte bewirbt). So landet die URL des durchaus u18-fähigen Aufklärungsmaterials zuverlässig in den Filtern und wird ebenso zuverlässig eben nicht einigermassen schmerzfrei verbreitet oder gar mal in Bio an die Tafel geschrieben.

Wir sind keine Amateure.

Wir sind keine Amateure.

Mir ist die Herangehensweise in Sachen „Wir zeigen Sex, wie er den Menschen Spass macht“ natürlich sympathisch. Die Paradoxie des Slogans „Make Love not Porn“ und seiner zwangsläufigen (zumindest Teil-)Dekonstruktion scheint mir angesichts dessen, dass man halt trotzdem eine Kamera draufhält (und möglicherweise Geld kriegt) für eben noch hinbiegbar, aber da knirschts schon im Gebälk. Mir scheint der Anspruch durchgehalten und das Geschäftsmodell für ausreichend branchenuntypisch: Der Signup ist hochsympathisch, die Ansage, keine Pr0nklischees zu akzeptieren, wirkt umgesetzt. 50% Erlös für die Darsteller, 50 für die Plattform ist die doppelte Marge verglichen mit den einschlägigen Amateurportalen, und es ist meines Erachtens nach unmöglich, eine solche Seite ohne irgend eine Art der Gegenfinanzierung (ich sag bewusst nicht Monetarisierung) zu machen.

Es scheint mir ungerecht, da jetzt die Widersprüche rauszustellen, weil ich die meines Erachtens nach feine Grundintention durchaus erkenne und weiterhin nicht wüsste, wie der Widerspruch aufzulösen ist, ohne alles einfach von vornerein bleiben zu lassen. Nichtsdestoweniger: die Mythen-Dekonstruktion gehört meiner Ansicht nach vom Rest getrennt und klar fsk16-mäßig aufgesetzt.

Ich trau mich fast nicht fragen, aber…

…wenn wer Lust hat, sowas auf Deutsch zu machen: ich auch.

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6 Responses to Porn-Nachträge: Ein Nachruf und Makelovenotporn

  1. Meinst du bei deiner Frage nun den .com oder den .tv Teil – oder beides? :D

    1. Avatar-Foto Richard Joos sagt:

      Hihi :) Zielvorstellung ist ja „Nicht ab18“, insofern… es wird (leider?) nur die .com.
      Ernsthaft: wie gesagt, sinnvoll scheint mir das nur mit FSK16 und .de, halt was, was ein Lehrer an die Bio-Tafel schreiben kann, ohne dass der Elternbeirat mit Forken und Fackeln vor seiner Tür steht.

      1. Klingt doch nach einem Plan *g*

      2. Wobei: Elternbeirat ist gefährlich als Kriterium – es gibt heute ja schon Eltern, die losrennen und zetern, wenn im Lehrplan stehen soll, dass Homosexuelle auch nur Menschen sind…

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