Die Zustimmung zur Online-Durchsuchung…

…scheint mir, nachdem mich Dexter auf ein paar komische Rahmenumstände gebracht hat, doch ein wenig hingebogen. Wir erinnern uns: die Mehrzahl der Wohnbevölkerung soll es OK finden, dass das BKA unbemerkt Rechner verwanzt oder mit Trojanern verseucht.

ZDF-Umfrage im Politbaromter zur Onlinedurchsuchung

Die Frage, die das ZDF-Politbarometer da aufführt (Seite 7 im Flash), ist offensichtlich gekürzt. Die Erläuterung am Rand (Screenie) lässt drauf schießen, dass es schon vorher in der Befragung um Durchsuchungen oder heimliche Zugriffe des BKA ging. Es geht um „entsprechende“ Online-Durchsuchung, also war vorher die Rede von anderen Durchsuchungs- oder Überwachungsarten. Einfach so ist der Begriff da nicht reingerutscht, der stammt aus der vertextlichen Auswertung des Umfrageinstituts. Vom ZDF selber jedenfalls nicht, weil die Frage vor dieser im Politbarometer-Flash bezieht sich auf Merkel als Kanzlerin. Also gehe ich mal schwer davon aus, dass da vor dieser Frage nach der ODS die Rede war von Terrorismusverdacht und was das BKA alles können dürfen soll wie im Fall der Sauerland-Farce. Darf das BKA eine mutmaßliche Terrorzelle observieren? Welche Möglichkeiten dazu muss ihm eingeräumt werden? Dürfen sie die Telefone abhören? Heimlich die Wohnung durchsuchen? Dürfen sie auch *entsprechend* Online-Durchsuchungen vornehmen?

Daraus das einleitende „Grundsätzlich…“ abzuleiten, halte ich für gewagt bzw. für Meinungsmache. „Grundsätzlich“ wird kaum jemand sagen, dass das BKA Rechner nach Belieben verwanzen kann, sondern allenfalls bezogen auf bestimmte Fälle. Die Mediendarstellung unterschlägt das völlig, die transportiert – absichtlich? – ein Bild einer Bevölkerung, die es größtenteils OK findet, dass das BKA Rechner durchsuchen kann, „grundsätzlich“, also egal welche und warum.

Weiter zur Kontextualisierung in den vermuteten Abhör/Durchsuchungs/Onlinedurchsuchungsszenarien. Dass es um unterschiedlich schwere Eingriffe in Grundrechte geht, die bislang aus gutem Grund unterschiedlich gehandhabt werden, ist einem Befragten in der Regel nicht klar. Dass die ODS weit jenseits der „Terrorbekämpfung“ eine immense Bedrohung von Bürgerrechten wird, schon gar nicht.

Die Zustimmungsquote halte (nicht nur) ich btw. auch in diesen vermuteten Fragekontexten für erschreckend. Konkret sind die Zahlen meiner Ansicht nach ohne Kenntnis des zugehörigen Fragenkomplexes aber unbrauchbar, die daraus generierte Überschrift/Verschlagwortung grob fahrlässige Medien- und Meinungsmanipulation.

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3 Responses to Die Zustimmung zur Online-Durchsuchung…

  1. Soligrab sagt:

    Salut Richie,

    schön wieder mehr von dir zu lesen. Was das Mediensystem anbelangt, hat die Autopoesis dort einen Punkt erreicht, an dem neben aktuellem Sensationsmarkt auch das (naturgemäß reißerische) Publizieren von Altbekanntem die Kommunikation bestimmt. Es ist, finde ich, selten so deutlich gewesen wie jetzt, wo angesichts von kaputtem Klima und kaputtem Finanzmarkt Fakten kommuniziert werden, als würde es sich dabei um Neuigkeiten handeln: Hoppla, die Klimakatastrophe gibt es wirklich! Hoppla, die Börsenwelt ist desaströs und hochspekulativ, Hoppla, der Markt bestimmt die Politik, nicht umgekehrt…
    Und auch mit dem Datenschutz ist es doch nicht anders. Wenn es plötzlich bei der Telekom mal ein Loch gibt, das publik wird, wird so getan, als würde es sich um ein völlig neues, skandalöses, gerade eben aufgedecktes Phänomen handeln. In einem System, das sich nur durch Neuigkeiten legitimiert und am Leben erhält, ist das doch aber kein Wunder. Vor diesem Hintergrund der Leitunterscheidung aktuell/nicht aktuell ist m.E. auch die zitierte „Politbarometer“-Grafik zu betrachten. Ich glaube nicht, daß „grob fahrlässige Meinungsmanipulation“ den Sachverhalt zutreffend umschreibt. Was du schreibst, suggeriert einen Vorsatz. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, daß irgendeine Redaktionsassistentin Halbwissen zusammengegoogelt und aufgepeppt hat und froh war, das ganze in die Flash-Vorlage importieren zu können. Ich glaube nicht, daß dem irgendeine ernstzunehmende Recherche oder thematische Auseinandersetzung zugrunde liegt und also von einem Manipulationswillen auszugehen ist. Schau dir doch die ganzen „Statistiken“ an, auf jeder zweiten Seite findet sich irgendeine Grafik, auf die geklickt und damit „abgestimmt“ werden kann, egal zu welchem Thema.

    Viel interessanter finde ich die Frage, die angesichts dieser unseriösen Erhebung konkret nicht zu belegen, aber doch mehr als ein Gedankenexperiment ist:
    Was wäre, wenn sich die Mehrheit wirklich mit einem gläsernen Bürgerdasein einverstanden erklärt? Wenn die Mehrheit findet, sie habe nichts zu verbergen, und nur die Schurken müßten heimlich tun und es sei richtig und rechtens, wenn Datenbanken angelegt werden?
    Muß dann die Minderheit sich dreinfinden und die Hosen demokratisch mit allen zusammen runterlassen?

    Gerade jetzt, wo sich die nie geglaubten Propagandasprüche des Ostblocks über den maroden Kapitalismus als viel glaubwürdiger erweisen, als sie während des gesamten kalten Krieges gewesen sind, gerade jetzt ist die Stasi als unmenschlicher Bespitzelungsapparat (auch aufgrund des medialen Novitäten-Zugzwangs s.o.) immer noch ein Thema und immer noch gut für eine Schlagzeile.
    Die technische Machbarkeit der Datenerhebung, -bündelung und -auswertung übersteigt momentan alles, was sich das MfS jemals hätte träumen lassen.

    ’89 konnte man noch in Leipzig vor der Zentrale demonstrieren, in der die Akten verwaltet und – zeitgleich – panisch vernichtet wurden. Wo fänden die Montagsdemonstrationen heute statt, wenn die Leute kapiert hätten, was mit ihren Daten passiert ist?

    Gruß & gute Nacht!

    b

  2. Korrupt sagt:

    Hoi, b.,

    nicht alles zu deinem Post und nicht alles, was man dazu sagen koennte. Dass die Massenmedien Neues in Bekanntes transformieren, fehlt als zentrales Statement noch und ich pflichte dir bei, das hab ich auf beiden Seiten der Geschichte schon mitgekriegt und -betrieben. Die Art und Weise ist trotz des schoenen und pointierten Luhmannism (kein Googleloch, schade) eine naehere Betrachtung wert, die du ja auch gleich aufmachst,
    *Natuerlich* wird da nur ein Mem in Umlauf gebracht und (vermutlich) Neues zu bekanntem. Man kann aber innerhalb der Systemlogik problemlos diese kritische Perspektive aufmachen, die du spaeter selber aufmachst, und genau das haette ich beispielsweise in einer entsprechenden gulli:news mit Freude getan, was da zum Thema zu lesen ist, ist leider wie inzwischen gewohnt recht traurig. Ein Drittel der Bevoelkerung, die das BKA ohne Richterbeschluss durchsuchen lassen will, wie es mag, wird da zu nem „zurueckhaltenden“ Statement, grosse Klasse, geradezu die Verharmlosung betreibend, die man anzuprangern meint, aber egal.

    Auf was ich rauswill: dass statistische Erhebungen zur Meinungsmache verwendet werden, ob bewusst oder unbewusst, ist durchaus auch im medien- und Luhmannsinn etwas „Neues“, das in „Bekanntes“ ueberfuehrt werden kann. Man muss es nur tun. Dass die Stasi 2.0 mit neuen Moeglichkeiten und Methoden die Hosen der Leute runterzieht, ob die nun drauf stehen oder nicht, ist in dem Mediensinn auch *neu* und kann bekannt gemacht werden. Dass eine solche Befragung und ihr Ergebnis kontextabhaengig ist, nun ja, das Gefasel von der selbst gefaelschten Statistik ist zugegebenermassen bekannt, was Statistik aber tatsaechlich tut, wie man sie lesen muss und was sie dann aussagt, ist fuer, holla, *richtig viel* Wohnbevoelkerung neu und kann ins Bekannte transformiert werden. Das geht sogar fuer jeden auftauchenden Fall einzeln. Man muss es nur tun, und mich verbluefft, dass es niemand macht, weder die etablierten Medien noch die meisten anderen. Man koennte mit praktisch keinem Mehraufwand informativen Mehrwert schaffen. Schon aus voellig eigennuetzigen, meinetwegen kapitalistischen Motivationen kann, verdammt, *muss* man so eine Information durchaus in einem aufklaerenden Kontext verbraten.

    Dass die Medien das nicht tun, ist ein systeminternes Versagen, nicht etwa im Prinzip der Medien selbst angelegt. Selbst, wenn man sie durch die immer doch etwas reaktionaer angehauchte Luhmannbrille betrachtet, ist das so. Dasselbe gilt mMn auch fuer die von dir angebrachten weiteren Beispiele.

    Wenn ich schon dabei bin: Dexter hatte mich noch auf die Erhebungsmethoden der FGW aufmerksam gemacht. Eine statistisch durchaus zufaellige Stichprobenauswahl, leider begrenzt auf die Grundgesamtheit der Inhaber eines Festnetzanschlusses. Ich wage die These, dass diese Stichprobe zu IT-Themen inzwischen systematisch verzerrt ist.

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