SEX NOW ist eine Ausstellung im NRW Forum Düsseldorf und der Name ist Programm: eine sexpositive Ausstellung zu all things sex. Wir hörten im Radio davon, dazu der Hinweis, sie sei ab 18, und dann war schnell ein „müssen wir hin“ entschieden. Es hat mir gut gefallen, ich hab einiges erfahren und einiges zum drüber Nachdenken mitgenommen, hätte mir aber im Nachhinein irgendwie „mehr von allem“ gewünscht, in komplett unterschiedlichen Ausprägungen. Im Detail mehr dazu.
Grundsätzlich: eine sehr ansprechend und charmant eingerichtete Veranstaltung, trotz (wegen?) des Themas überhaupt nicht irgendwie halbseiden oder sensationsgeil, und sehr gut begleitet/kuratiert. Es gibt einen begleitenden Online-Digital Guide, der lobenswerterweise nicht in irgend eine Museumsapp reinkastriert wurde, sondern ganz frei im Internet anzuklicken ist (Klickempfehlung).
Was gibts zu sehen? Einmal natürlich historisches: einige Ausstellungsstücke aus sehr früher bis neuzeitlicher Geschichte der gesellschaftlichen Abbildung von Sexualitäten. Ein großes Pottpurri von Sexualorganen in unterschiedlichster Darstellungsform und Ausprägung. Einige Ausschnitte unterschiedlicher Szenen und Kinks, hervorzuheben eine charmante kleine BDSM-Ecke und eine Tom of Finland-Ausstellung. Einiges Anschauungsmaterial zu Cybersex und VR. Mehrere teils erheblichst explizite Videoinstallationen. Diverseste Sextoys und die Entwicklung derselben. Künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema, von Performance-Art bis Fotografie und Skulptur. Außerdem ein Me Too-Teilbereich, der einerseits auch spannend war und unter anderem Foto- und Videokunst einer indischen Künstlerin zeigte, die nochmal eine ganz andere Perspektive schuf als die, die „wir“ so kennen.
Im Nachhinein: Viel Raum für ein einerseits hochproblematisches Thema in einer ansonsten explizit sexpositiven Ausstellung. Weiter auch einige weitere Exponate, die sich explizit mit den Abgründen insbesondere online auseinandersetzen. Erst wollte ich statt „Abgründen“ „Arschlöchern“ schreiben, aber die gabs auch, im Wortsinn und durchaus positiv konnotiert. Hier angemerkt ohne jegliche Wertung, es fiel mir im Nachhinein auf, am ehesten würde ich sagen, ich finds gut, richtig und traurig, dass es dafür Platz geben muss.
Was mich am meisten überraschte:
a) es machte mich an keiner Stelle wuschig, was jetzt in einem Museumssetting vielleicht nicht allzu überraschend ist. Man stiefelt an diversem SM-Equipment und -mobiliar vorbei und guckt sich alles an, und dann geht man weiter. Man befindet sich eben in besagtem Museumssetting (ich sag in dem Kontext absichtlich nicht „Ausstellung“). Und das mag schön und horizonterweiternd sein, aber nichtsdestotrotz: da hab ich das Gefühl, man hätte nen kleinen Schritt weitergehen können. Da steht ein Andreaskreuz und eine Auswahl an Fixier- und Spreiz-Material explizit mit einem „Das dürft ihr ausprobieren“-Hinweis, und verdammt, man mag nicht so recht. Man sollte aber mögen wollen.

Performance, 1984. Mir vollkommen unbekannt und erheblich beeindruckend.
Kurz weiter dazu ausgeholt: in einer kleinen Installation wurden beispielsweise geheime Fantasien auf kleinen Notizzetteln gesammelt, die vom Publikum ausgefüllt und hingeklebt werden konnten. Da war einiges recht lame (a la „guter Sex“), aber dann gabs halt auch hey, MMF-Dreier, Snowball, sich bis zur Bewusstlosigkeit ficken lassen, you name it, Zeug, was mich irgendwie anrührte, grade, weils echte Menschen hier halt mal hingeschrieben haben und es sich bisher wohl nicht trauten auszusprechen. Und dabei dann, hihi, auch „Sex im Museum“, und ich denke, das „Letzteres sollte nicht passieren“ spielte bei ein paar Sachen eine Rolle, die deswegen halt recht distanziert-kühl blieben. Eigentlich hätte man in der SM-Ecke wirklich ein wenig Darkroom-Atmo schaffen müssen, einerseits wärs interessant und näher dran gewesen, andererseits würds ein bisschen mehr zum mal ausprobieren einladen. Eine Nummer kleiner, aber ähnlich die Chillecke mit den Sextoys: zumindest Batterien/Akkuladung hätt ich angenehm gefunden.
b) Die VR-Porn/Sexgeschichte ist irgendwie ein Elend. Nicht in der konkreten Ausstellung hier, das war hochinteressant, aber im Ergebnis muss ichs der Tech als solcher einmal mehr attestieren. Es gab ein paar VR-Installationen, eine schaute ich mir eine Weile an und es war natürlich auch wieder ein BDSM-Setting im buntesten Folterkeller, den man sich so denken kann. Ich verfolge das Thema nicht allzu intensiv, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, also verfolgte ich. Und einmal mehr zweifle ich, dass Technik und Wunschvorstellung da Chancen haben, zusammenzukommen. Ich halte mich nicht für vollkommen unbedarft, aber alleine, um in der hier gezeigten VR vom Punkt A nach B zu kommen, brauchte es einiges Geschick. Anschließend vergeht einem die Lust, die Wanderung zum Regal mit den Schlaginstrumenten oder in die Ecke mit den Fickmaschinen zu beginnen. Von Hand hauen ist auch schwierig, und selbst im Museum fiel mir auf, dass man wegen den Controllern zu guter Letzt für sich selber keine Hand mehr frei hat. Es ist alles furchtbar und irgendwie seit ungefähr zehn Jahren dasselbe. Technologietreiber Porn, heißt es immer, aber ich hab das Gefühl, alles jenseits der steinalten „Dildocontrol“-Geschichten auf den Camseiten ist umständlicher und nachhaltig schlaffmachender Krampf. Ist das gut, ist das schlecht? Ich hab keine Ahnung, aber irgendwie find ichs auch schade. Mit der KI wird das bestimmt bald besser.
Haha, nein, natürlich nicht. Aber wir haben 2025 und es gibt nichts mehr ohne KI. Proof an dieser Stelle: eine Künstlerin fütterte eine bildgenerierende KI mit Unmengen von Sextoys und ließ sie auf der Basis dieser Trainingsdaten neue Toys generieren, die sie anschließend im Großformat physisch herstellte. So erzeuge sie, ich zitiere, „neue, spielerische Formen“. Das konnte Funfactory vor zwanzig Jahren auch schon und ich vermute, die „neuen Formen“ sind im Großteil der Anwendungsfälle tendenziell sinnlos bis störend und wären teils in Echt schlicht auch gefährlich in Sachen „Ups, wie kriegen wir das wieder raus?“/“runter?“ Trotzdem, ich war amüsiert.
Wirklich explizit wurde es in erster Linie bei den Videoinstallationen. Einmal „RUB“ von Peaches, ich hab von ihr eigentlich nur das erste Album auf dem Schirm, aber es gibt a) das Album „Rub“ und dazu eine Webseite mit ein wenig Videomaterial. Was hier unter „RUB“ lief, war… nun, etwas drastischer. Etwas sehr drastischer. Bei einer zweiten Video-Vorführung weiß ich die Leute dahinter nicht, aber ich nenn es mal „Hardcore-Crossover zwischen Ballet, experimenteller Oper und schwulem Porn“.
Das war auf sehr vielen Ebenen sehr weit draußen, einmal rein die körperliche/athletische Leistung, Mimik/Performance weit jenseits des Expressionismus, und von „unterschwellig Sex und Gewalt“ kann man nur deswegen nicht anfangen, weil dieser Clip war vieles, aber nicht unterschwellig. Voll auf die Zwölf, und ich frage mich gerade, warum es recht wenig „Pornkunst“ gibt (gibts sowas?). ich kenns als literarische Trope – wenn irgendwelche reichen dekadenten Protagonisten stylish ausgehen und dabei klar werden soll, dass für sie weltliche Gesetze, Begrenzungen und Moral nicht zählen, dann landen sie in einem edlen Club, wo zu exotischen Speisen, Cocktails und Industrialjazz auf der Bühne nebenher athletisch-kunstvoll gevögelt wird. Wo und was existiert da tatsächlich?
Ich hab jedenfalls noch für einige Zeit ein paar Sachen mehr zum drüberhirnen und rumrecherchieren. Infos/Tipps/Gedanken zu aufgeworfenen Fragen gerne.
Die SEX NOW-Ausstellung soll noch bis Mai 2026 laufen. Karten gibts online, die muss man sich mit Zeitslot vorbestellen. Das Publikum war bei unserem Besuch angenehm sowie angenehm gemischt, und die Zeitbuchung scheint da eine gute Entzerrung zu gewährleisten – gut besucht, aber nie so, dass es drängelig wurde oder man nicht an irgendwelche Toys, Installationen, Ausstellungsstücke rankam. Im Shop zum Event gibts zu guter Letzt ganz entzückende Unterwäsche, himmel, ich glaube, ich hab noch nie Unterhosen im Internet empfohlen, aber irgendwann muss man ja mit allem mal anfangen.












One Response to SEX NOW Ausstellung in Düsseldorf