junge Welt, Mauerdank und die unerträgliche Selbstgerechtigkeit des Übriggebliebenen

Die jW dankt für 28 Jahre Mauer, das kotzende Einhorn hihi, kotzt, und an sich will ichs ihm auch gerne zugestehen, weil es sonst ganz okayen Krempel vertritt. Ich wollt erst nix zu sagen, mich störte auch was und ich kriegte den Finger nicht drauf, obs eher so das generelle Genervtsein von allem war oder ob mich da doch ein paar Sachen im Spezifischen ankotzen. Aber mich kotzt tatsächlich was im Spezifischen an.

Ganz konkret nenn ich das die Selbstgerechtigkeit des Übriggebliebenen, die manchmal einfach unerträglich penetrant daherkommt. Ich krieg den Finger nicht drauf, wann sich die einschlägigen Arschlöcher das Selbstgerechtsein eher verkneifen und sich demütig geben und wann sie fett austeilen wie im konkreten Fall. Einen Hitlerfaktor gibts im zugrundeliegenden Algorithmus sicher und wahrscheinlich noch so ein paar andere wie Israel. Konkret aber: Beispielsweise zu so Jahrestagen der Befreiung üben sich die üblichen Verdächtigen tendenziell eher in Demut und danken den Amis (und tendenziell nur denen) für ihren Demokratie- und Kulturimport, denn schließlich ist bekanntermaßen nach Auschwitz jeder McDo kultureller Fortschritt. Man steht nicht hin und zeigt mit dem Finger auf andere. Manche, die es in der Sache oder mit dem Heucheln richtig ernst meinen, warnen gar drohend vor dem noch fruchtbaren Schoß, aus dem „das“ kroch.

Ganz anders in Sachen Mauer/DDR. Da kann man sich gar nicht hoch genug in den Himmel loben für sein (übriggebliebenes) humanes, faires, menschliches und soziales System, dessen Auswüchse ja niemanden umbringen, niemanden in die würdelose Existenz werfen, niemanden schon qua Geburt auf irgendeine Scheißexistenz festnageln und anderen Arschlöchern Parteibuch, Kohle und Senatorklassemenschmentalität in die Wiege legen. Nein, zu solchen Anlässen ist demütiges Kehren vor eigenen Türen absolut nicht angesagt, oder gar zu überlegen, was heute vielleicht ähnlich oder gar schlimmer scheisse ist als in 28 Jahren DDR.

Stattdessen schön selbstgerecht die Nase hochgehalten und die immense kulturelle, humane und materielle Überlegenheit des eigenen übriggebliebenen Systems gepriesen bzw. an sich selbst gelobt. Bis zum nächsten achten Mai, da dankt man wieder in Demut dem transatlantischen Brudervolk dafür. Um mal wieder den Meister Bernhard zu zitieren: Es ist zum Kotzen.

Solange dermassen ignorant den eigenen Fehlern und – gerade angesichts dieser selbstproklamierten humanen, sozialen und materiellen Überlegenheit – den unerträglichen Ungerechtigkeiten der aktuellen Verhältnisse und ihrer durchaus xfach fatalen Folgen gegenüber die Selbstgerechtigkeit gepflegt wird, solange kann sich die junge Welt meinetwegen täglich für 28 Jahre Club Cola bedanken. Meinen moralischen Segen hat sie.

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4 Responses to junge Welt, Mauerdank und die unerträgliche Selbstgerechtigkeit des Übriggebliebenen

  1. mike sagt:

    Das is prinzipiell zu unterschreiben aber leider zu kurzgefasst und – viel schlimmer – zu doof.
    m.E. ist der Grossteil der JW-Leser entweder Ewiggestrige, Nationalbolschewisten, oder in der DDR aufgrund §213&Co Verfolgte. (bei letzterem „Verfolgte“ im Sinne von „Verfolgten“).
    Das is ne hybsche Geschichte, vergleichbar etwa der, dass in der Taz morgen stünde, dass die grüne Partei auch nicht so ganz das Wahre wäre. Wird da nicht passieren. Die Tazler sind zwar dumm und beschränkt, aber im Gegensatz zur JW nicht doof.

    Ich hatte demletzt mit meinem Führungsoffizier die Diskussion dass der die JW abbestellen will, und die durch irgendwas anderes blödes erstetzen will (glaube Jungle World, also die anderen Faschisten – ääh Dogmatiker), wo ich interveniert hab.

    Nach so einem Titel ist für mich die Debatte gestorben. Was liest man denn (täglich) so noch, wenn man die FAZ, die SZ und die Lokalzeitungen hat?

  2. Avatar-Foto Korrupt sagt:

    Ich kanns nur bedingt einschaetzen. Ich hab die jW gelegentlich gelesen, wenn im Konkret kein Spiegel rumlag (jetzt sollt ich wahrscheinlich verlegen sein) und fand sie eher selten zum durchgehend zustimmend Kopfnicken, aber zum manchen klugen Gedanken denken hat sie mich durchaus gebracht, ob beabsichtigt oder nicht, will ich mal dahingestellt lassen.

    Ich bin nach wie vor nicht sicher, ob der Titel überhaupt somnderlich ernstgemeint war oder eben eine Provokation war, ich denke schon, letzteres, und ob da dann gut oder schlecht… ach, an sich ists mir egal. Selbst wenns einfach strunzdämlich war, was ich oben kommentierte, halte ich trotzdem für zutreffend.

    Und zu guter Letzt: „im Ernst“ eine Zeitung oder Magazin lesen kann ich schon recht lang nicht mehr. Die einzige Ausnahme scheint da die Titanic zu sein, aber die gilt ja als Satire.

  3. mike sagt:

    Komisches Konkret, wo’s kein Konkret gibt ;)

    Jetzt, wo ich meinen Kommentar nochmal les‘ seh ich, dass ich mich gar nicht eindeutig positioniert hab, und interpretationsfähig bin.
    Mal nachgeholt: So’n Quatsch kommt mir nicht mehr aufn Tisch. Egal, ob da alle paar Tage mal ein kluger Gedanke, oder ein anderswo nicht behandeltes Thema auftaucht.

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