Die konkrete Ausformulierung einer positiven Post-Privacy-Utopie fällt mir aus dem Stand etwas schwer. Ich zäume im Folgenden das Pferd vermutlich von der falschen Seite auf: normal formuliert man eine Utopie und dann die Schritte dorthin, ich bekomme das Thema aber nur handhabbar, wenn ich andersrum vorgehe: ich nehme die Ausgangspunke einer Privacy-Kritik oder -erosion und formuliere positive Aufhebungen der sich ergebenden Probleme. An diesen Aufhebungen hängt regelmäßig ein Rattenschwanz an Folgeproblemen, die ich größenteils bewusst ausser Acht lasse: ich will zu einer positiven Utopie gelangen und die Kritik kann dann immer noch kommen. Obligatorischer Disclaimer hier: ich teile die Sicht nicht, dass diese Utopie alternaivlos sei oder auch nur erstrebenswert. Ich formuliere trotzdem alles aus der Ichperspektive, weil das beim Identifizieren mit und damit dem Stark-Interpretieren einer Theorie hilft.
Grundfrage: Was wollen wir, wo stoßen wir dabei auf Privacy-bezogene Probleme, wie können wir die aufheben und wo kommen wir dann am Ende an?
Gliederung: das ganze Feld unterteile ich in (etwas willkürlich gewählte) sechs Punke, wobei ich bisher nur den ersten einigermaßen ausformuliert habe. strukturiert ist das in Richung „wird gegen Ende voraussetzungsvoller/weireichender“ und sammelt inhaltlich die mir bekannten Hauptaspekte der Datenschutzkritik der Spackeria ein.
1. Möglichkeiten der öffentlichen, diskriminierungsfreien Kommunikation
– Ich will frei über Thema XY quatschen können
– auch in Bezug auf mich
– auch in Bezug auf andere Personen
Eine der „akuten“ Forderungen bzw. Bestrebungen nicht nur einer Post-Privacy-Gesellschaft, sondern zu weiten Teilen Grundlage einer pluralistischen, offenen und gleichberechtigten Gesellschaft. Das Netz erweitert den Kommunikationsraum exrem, zu den unterschiedlichsten und immer spezielleren Lebens- und Interessenslagen finden sich Individuen und tauschen sich aus. Der Austausch führt zu wachsender Kompetenz auf den jeweils behandelten Themenfeldern, ob es nun um materielle, politische, persönliche etc. Themen geht, ergo ist der Austausch von Wert und sollte möglichst wenigen Beschränkungen unterliegen. Positive Effekte fallen individuell (höhere Lebenskompetenz) und gesellschaftlich (erweiterte Vielfalt, besserer Informationsfluss, Wachstum des gesellschaftlich verfügbaren Wissens) an.
Grenzen erfährt dieser Kommunikationsraum durch wahlweise Anonymiät/Pseudonymität oder alternativ Diskriminierung, selbige in unerschiedlichsten Kontexten. Ich mach einfach mal ein paar Problemfelder auf:
– ich will trotz Harz IV ein schönes Weihnachten feiern
– ich steh auf Müllfahrerstinksocken und hab grade weder Müllfahrer noch Stinksocken
– ich bin gegen den Naziaufmarsch in XY
– ich züchte Zwergleguane
– ich bin drogenabhängig
– ich will c++ lernen
…und nun noch ein paar Zielgruppen: Finanzamt, Arbeitgeber, Schwiegereltern, Familie, Krankenkasse, Wähler, Vereinskollegen, Versicherung, Werbewirtschaft.
Das Zuordnen und Folgendurchspielen sei dem Leser zur Übung überlassen, an der Selle mag ich nur noch anmerken, dass bei allen genannten Gebieten und dem problemzentrierten Austausch darüber der Blick aufs „große Ganze“, d.h. der ganzen Person und ihrer Lebenssituation und damit einhergehend der Aufhebung der Pseudonymität einen besseren und hilfreicheren, ich sag sogar stärker emanzipatorischen Austausch bewirkt als dessen Fehlen.
Das Regenbogenpony dache das weiter dahingehend, dass man ja auch die Situation anderer heranziehen will – im eigenen Fall ist das heute ja schon möglich und Praxis, nur eben nicht diskriminierungsfrei, und entsprechend stehen der selbstgeschaffenen Öffentlichkeit nur eben a) Feigheit und, gewichtiger, b) ensprechende mögliche Konsequenzen gegenüber.
Will man auch über andere in einem nichtanonymem Kontext beliebige Themen öffentlich ansprechen, greift das im Unterschied zur Selbstdarsellung massiv in die Freiheit eines anderen ein. Das gern genommmene Beispiel Zwangsouting/Homosexualität stellt die These auf, dass dieser Eingriff in bestimmten Fällen legitimiert sein kann, das beinhaltet aber nach wie vor das Eingeständnis, dass gegen die Interessen eines Dritten gehandelt/kommuniziert wurde. Um diese Beschränkungen aufzuheben, muss kein „greater good“ her, sondern eine Normalisierung aller so thematisierbaren Bereiche. Wenn ich behaupte, Obama sei ein Hetero, wird das von niemandem problematisisert, obgleich ich da Aussagen über eine recht private und in ihren Folgen durchaus intime Sache mache. So sollte es sich an sich mit allen Orientierungen/Lebensweisen/Problemen etc. verhalten, um einen freien und damit weit fruchtbareren Austausch als bisher zu ermöglichen.
Wir wollen also eine Gesellschaft denken, in der diese und andere Themenbereiche nicht-anonym und diskriminierungsfrei öffentlich thematisiert werden können und auch zuverlässig derart diskriminierungsfrei thematisiert werden.
Ähnlich erörtern will ich die nächsen 5 Punkte, weiter komm ich heute aber nicht und angesichts der anstehenden Arbeitswoche werfe ich den aktuellen Stand der Dinge bzw. der Gliederung mal hier rein. Einerseits, weil mehr Leute besser denken als einer und andererseits, weil ich zur recht drasischen Kritik gestern an sich gern zügig was konstruktives beisteuern will. Feel free to comment.
2. Möglichkeiten der Vernetzung
– Ich will sichtbare und gesellschaftlich präsente Gruppen meiner „Minderheiteninteressen“
– Ich will eine uneingeschränkte horizontale Solidarisierungsmöglichkeit
3. We’ve lost the War
– Ich will eine Srategie, die mir ein gutes Leben trotz fortgesetzter Aufhebung der Nichtöffentlichkeit privater Informationen (durch Zugriff, Veröffentlichung, Leaks usw.) ermöglicht
4. Datenungleichgewichte beseitigen
– Ich will an der Information, die z.B. Google hat, partizipieren
– Ich will angesichts der zunehmenden Verwertung privater Daten diese Verwertungsmöglichkeit nicht nur den Big Playern einräumen, sondern gleichberechtigten Zugriff schaffen
5. Generelle Infragestellung des Konzepts der Privatsphäre
– Ich will, dass das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem zumindest neu austariert wird.
– Folgt aus dem Bisherigen zwangsläufig. Allgemeines und individuelles Wohlergehen sollen dabei gefördert werden. Das bedeutet, dass es nach wie vor Bereiche geben kann, die diesem Zugriff (allgemein akzeptiert) zumindest in Teilen entzogen sind.
– Hier wäre das Denken „neuer“ Schutzbereiche notwendig, die beispielsweise die auf der Spack0 angesprochene Frage nach Opferschutz oder den Umgang mit nur teilweise mündig handelnden Personen betreffen (Kinder etc.)
6. Generelle Neubewertung des der Gesellschaft zugrundeliegenden Menschenbilds/Ideals
– „Normalisierung“ alles Menschlichen (tatsächlich alles? Zumindest im Rahmen von Safe, Sane, Consensual)
– Dadurch die Entschärfung psychischen Drucks, Neurosen, Pathologien
– Abschaffung einer Reihe von Egoismen (die Wissen ausnutzen und verwerten. Hier hängt interessanterweise das ganze Konzept geistigen Eigentums dran).
Wie oben angemerkt: Work in Progress, im Ausformulieren hab ich bisher schon einiges umgeworfen, das ist gerade eine Baustelle und entsprechend kann auf der auch rumgetobt werden.
3 Responses to Vorüberlegungen zu einer positiven Spackeria-Utopie (in Progress)