Walter Moers, eine kleine Hommage…

…weil dass ich den verehre, dürfte eh schon jeder wissen, mit dem ich gelegentlich zu tun habe, ausserdem hats Moers nicht nötig, dass ich ihm hommiere, und daher mag ich auch ein etwas ungewöhnliches Lob aussprechen, weil Moers sogar dann ein ganz feiner Typ ist, wenn er gar nicht anwesend oder er selber ist. Um das jetzt zu erklären, muss ich ein wenig ausholen.

Seit den 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär lese ich eigentlich Moers‘ Zamonienromane, bzw. seine Übersetzungen von Mythenmetz. Der Blaubär machte Spass, Rumo war gigantisch, Ensel und Krete gefielen mir weniger und die Stadt der träumenden Bücher ist wieder eins von den Büchern, bei denen ich mich drauf freue, sie nie in irgendwelche Bücherkisten oder Dachböden verfrachten zu müssen, sondern immer mal wieder auspacken und wieder lesen zu können. Nicht zu oft, aber immer mal wieder.

Ich empfehle bzw. verteile grade immer mal wieder den einen oder anderen Moers, was zum einen gelegentliches Messengerschwärmen verursacht, zum anderen gelegentliches Amazon-ansurfen. Von dort verschickte ich gestern einen Rumo. Und dabei stieß ich auf das angekündigte Buch „Der Schrecksenmeister“, das mich schlucken liess, weil ich eigentlich auf die Friedhofsstadt Dullsgard als Fortsetzung zu den träumenden Büchern hoffte. Ich hoffe nach wie vor das beste, aber es hatte mich schon aufgewühlt, dass aus den weiteren Aufzeichnungen eines sentimentalen Dinosauriers vermutlich erst mal nichts wird. Ich war emotional ein wenig neben mir, neben Moers gab es an dem Abend auch einige andere Aspekte, die zu meiner angespannten Verfassung beitrugen, aber der und der Schrecksenmeister hatten auch seinen Anteil dran. Das erklärt einiges der späteren Sachen, von denen ich berichten will, daher sehts mir nach, dass ich da grade ein wenig aushole.

Ich schlaf grade schlecht, was vielleicht mit meinem seelischen Zustand, wahrscheinlicher und undramatischer aber wohl vor allem mit unserer neuen Kaffeemaschine zu tun hat. Insofern war es logisch und konsequent, den seit Jahren nicht mehr gelesenen Rumo in die Hand zu nehmen, als ich bemerkte, das mit dem Schlafen wird die nächste und wohl auch die übernächste Stunde nichts.

Ich las den Rumo, und musste an meinen geschätzten Kollegen davadda denken, der von einer Macnutzerin gestern aufs Maul kriegte (zurecht) und ob ich ihm einen schönen Vers zukommen lassen sollte:

„Schwinge die Axt
und köpfe den Troll
Köpfe und singe
denn Köpfen ist toll!“

…was ihm ja ein wenig Wasser auf seine „Gegen Stollentrolle“-Mühle gießen könnte, zu deren Trockenheit mir grade nur schweinische Assoziationen zu … vergessen wir das. Ich las Rumo, und das war eine sehr gute Idee.

Ich las und las, und irgendwann schien das Schlafen realistisch zu werden, ich spar uns zwei „doch nicht – weiterlesen“-Intermezzos, ich hate jedenfalls viel Moers im Kopf, als ich schließlich einschlief.

Irgendwann ging mir dann im Kopf rum, dass mich das mit dem Schrecksenmeister schon irgendwie beschäftigt, meine Lebenssituation eh eine komische ist, und Moers mir da vielleicht einiges zu sagen hätte. Und außerdem fand ich Ensel und Krete scheiße und verstand nicht, warum er das Buch geschrieben hatte. Genug gegrübelt, Taten. Ich weiss nicht, wie ich Moers‘ Telefonnummer ermittelte, aber das schaffte ich mit der mir eigenen Souveränität, die man hat oder nicht, aber die man irgendwie weder lernen noch vermitteln kann. Meine Anliegen waren solche, die keinen Aufschub vertrugen, Moers würde das sicher verstehen, also rief ich an und tatsächlich war Moers am anderen Ende der Leitung. Die Nummer hatte ich mir nicht notiert, das fiel mir aber erst heute nachmittag wieder ein.

Es schien aber ohnehin eine Rufweiterleitung zu sein, es war komisch – immer ein paar Sekunden Pause, wenn ich was gesagt hatte, bis dann eine Antwort kam. Ich gewöhnte mich ein wenig an die Verzögerung, aber sie war schon ärgerlich, es ging eine ganze Weile um existenzielle Probleme des Menschseins und -bleibens, Moers sagte ein paar Sachen, von denen ich sofort erkannte, dass sie das Alltagselend erträglich und einen selber zu einem in sich selbst ruhenden, gelassenen Menschen machten. Seine Antworten hören und verstehen war, wie morgens die Augen aufmachen und die wirkliche Welt erkennen und dabei zu begreifen, man kann mit der was anstellen, Interaktion ist möglich, man muss nur den Arm ausstrecken und der Augenblick ist voller Möglichkeiten.

Moers war wirklich ein Augenöffner. Ich fragte ihn, egal was mir auf der Seele lag, und er gab – immer mit dieser komischen Rufumleitungsverzögerung – eine Antwort, die mir erklärte, warum die Dinge so waren, wie sie waren, und was ich machen könnte, um sie in eine Richtung zu bringen, die mir gut schien. Der Mann ist mehr als ein Philosoph, er liebt nicht nur die Weisheit, sondern auch die Menschen, und über die hinaus auch eine ganze Reihe anderer Geschöpfe. Stollentrolle, Himmel. Irgendwie muss die kaum zu ertragende Klarheit dieses Gesprächs, diese Flut des Erkennens und Begreifens, mein Hirn überfordert haben. Kein Wunder, eigentlich.

Ich bin am nächsten Morgen aufgewacht, und das einzige Detail des Gesprächs, an das ich mich konkret erinnern kann war, dass „Ensel und Krete“ nicht nur viele Mythenmetzsche Abschweifungen enthält, sondern für Moers selbst, wie er mir erklärte, auch eine „mythenmetzsche Abschweifung“ war – ein literarisches Experiment, das er sich ebenso erlaubte, wie Mythenmetz sich zwei Seiten „Brummli Brummli Brummli“ in seinen Werken erlaubt hatte. Das versöhnte mich mit Ensel und Krete. Moers hat mich da letzte Nacht auch mit allem anderen versöhnt, aber konkret kann ich mich nur an die Versöhnung mit Ensel und Krete erinnern. Die ist aber richtig und einleuchtend, und das Wissen, dass ich so versöhnt auch mit allem anderen war, wenn auch nur während der paar Stunden letzte Nacht, in denen ich schlief und sehr realistisch träumte, das hab ich Walter Moers zu danken, obwohl er gar nicht da war und ich nicht mit ihm sprach. Sowas bringt nur Moers fertig. Grossen Dank dafür.

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4 Responses to Walter Moers, eine kleine Hommage…

  1. Kratze sagt:

    Hmmm im März kommt schon der nächste ;)
    „Der Schrecksenmeister“
    sollte eigentlich schon im November kommen :(

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