Ein Dank an Johannes und was zu Vorbildern, Depression und Achtsamkeit

Seit ich von Johannes‘ Tod erfahren hab, treibt es mich um und nun denk ich, schreibs ins Netz. Meine Bekanntschaft mit ihm war eher lose, aber wie er dann doch sehr oft irgendwie da war, fiel mir jetzt erst richtig auf. Entschuldigt, wenn ich jetzt auch viel über mich schreibe, es gehört zur Sache, um die es mir geht, und ich glaube, es zeigt vielleicht auch ein kleines Beispiel dafür, wie gute Menschen wie Johannes im Netz vielleicht ganz unbemerkt zu guten Sachen beitragen.

Getroffen hab ich ihn als „ersten Kunden“, den ich im Netz je hatte: die GLS ließ 2009 bei Fliks SEO machen, ich saß irgendwann bei ihm und anderen in der GLS und erzählte, wie der 1Password-Artikel bei Macnotes auf Platz 4 kam und warum „Kartoffel macht der Motor“ durchaus eine optimale Überschrift sein kann. Seitdem war man in den diversen Channeln befreundet, lief sich gelegentlich auf den diversen Events über den Weg, in erster Linie verfolgte ich aber via Netz, was er so machte. Direkt kommuniziert hatten wir nicht viel – letzte Woche noch zu seinem Speaker-Interview auf koks.digital kommentierte ich endlich den „überfälligen Respekt“, den ich mal abladen müsse bei jemandem, der mit so unfassbar viel Herz im Netz unterwegs ist.

In den Jahren dazwischen war es trotz meiner massiven Ablehnung von allem anthroposophischen völlig klar, dass das Mietkautionskonto bei der GLS eröffnet wird, wenn schon nicht alles dahingezogen wird. War er immer jemand, an dem ich mich hervorragend orientieren konnte, ja musste, wenn man dran glaubte, dass man im Netz, als Mensch, als Mensch im Netz den Planeten ein wenig besser machen könnte, und der einem immer den Gegenbeweis lieferte, wenn man dachte, ach, es bringt doch eh nichts. Ich las ihn über die Jahre hinweg auf Twitter, auf FB und war regelmäßig beeindruckt von jemanden, der so mit Herz und Hirn hinter seiner Sache stand und vor allem diese richtigen Sachen so auswählen und durchziehen konnte. Und im Marketingjob? War er immer der erste, der mir einfiel, wenn es drum ging, ob überhaupt noch was im Netz authentisch und aus echtem Interesse für die Menschen, um die es geht, geschrieben und getan wird.

Ich halte es für vollkommen nachvollziehbar und legitim, angesichts vieler großer Scheiße zum zynischen Arschloch zu werden oder zumindest gewisse, in diese Richtung gehende Bewältigungsstrategien zu kultivieren. Wenn es ein Gegenbeispiel, himmel, einen verdammten lebenden Gegenentwurf dazu im Netz gab, dann wars Johannes, denn er war diesbezüglich durchaus präsent. Darüber haben andere besser geschrieben, an der Stelle nur, dass es mir oft und viel zu denken gab, was er im Netz initiierte und tat.

Was aber wahrscheinlicher noch schwerer wog und mir grade deutlich mehr nachgeht: Sein Umgang mit der Depression. Kiki schrieb darüber als das „schwarze Wölkchen“, und man (oder ich) las es an seinen Blogposts, seinen Tweets, und einer meiner weniger bewussten Hintergedanken war an sich immer, da hats jemand hinbekommen. Ich weiss nicht, ob ichs mir einbildete, aber Johannes schien mir immer wie jemand, der das tut, was man in der Verhaltenstherapie gegen Depressionen lernt, und nicht nur, weil er es lernen musste, sonndern aus tiefster Überzeugung, oder, wie oben geschrieben, mit Herz und Hirn.

Manchmal war ich ein wenig neidisch, weil ich dachte, da hat es jemand einfach auch leichter: auch und gerade im Job an sich immer für Dinge einzustehen, die einem wichtig sind, in denen sich Sinn finden lässt. Und jetzt, wo ich den Satz schreibe, komm ich mir unfasslich dämlich vor, aber ich denk nicht mal, dass ich da sowas besonderes oder allein damit bin. Johannes war für mich immer so ein Stück weit Orientierungspunkt im Umgang mit der Depression: man hat ebenso mitbekommen, wenn er sich grade durch eine dunkle Zeit kämpfen musste, wie dass er sich dann wieder mit voller Kraft auf die Dinge stürzte, die wichtig waren, die Sinn ergaben. Und man orientiert sich naturgemäß nicht an denen, die eben diese Dunkelheiten nie haben. Die, die sie kennen und trotzdem durchgehen, weitergehen, weitermachen, an denen kann man lernen, dass es geht. Und man kommt nie auf die Idee, dass sie straucheln könnten, nein.

Das achtsam sein. Es ist mir einmal passiert, dass ich aus dem schlichten, simplen Nichtfürmöglichhaltenkönnen versagt hatte, als es nötig gewesen wäre. Und jetzt geht mir grade dieses Gefühl wieder nach: bei wem kannst du dir was nicht vorstellen, kommst gar nicht *auf die verdammte Idee*, dass gerade vielleicht alles am Kippen ist? Es gibt da draussen ein paar Leute, die haben mir so verdammt viel geholfen, als es nötig war, und dann frag ich mich, merkst du selber eigentlich, wenn was nötig ist? Bei allen, wo es vielleicht sein könnte?

Jemand, der sich im Dunklen nochmal deutlich besser auskennt als ich, sagte mir mal „Wir sind alle sehr gute Schauspieler.“ Nicht mit Stolz, bewahre. Auch nicht ganz resignierend, aber nun. Ich kann Christians ratlosen Zorn nachvollziehen, aber ich weiß weder Vorwürfe noch Antworten. Johannes, hab meinen Dank und find deinen Frieden.

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