Bei Stau: Rettungsgasse links

First things first: wenn man in nen Stau reinfährt, macht man eine Rettungsgasse. Die ist immer links, sprich zwischen der linken und der angrenzenden Spur, und man fährt dazu an den jeweils entgegengesetzten Rand seiner Bahn. Zweispurige Bahn: zwischen den Spuren, dreispurige Bahn: zwischen der linken und der mittleren.
Warum, fragen sich manche, die Standspur ist doch rechts? Ja, aber rechts stehen auch die LKW. Die sind a) breit und b) können die eher schwierig nochmal nen halben Meter zusammenrücken, wenns wo eng werden würde.

Warum komm ich drauf? Ich stand heute ne knappe Dreiviertelstunde vor einem Unfall und war so der zweite, der nicht mehr durchkam. Ich sag mal so, es war ganz unvoyeuristisch interessant und gab mir in einiger Hinsicht zu denken, und wens interessiert, hier ne Latte Eindrücke.

Ich fuhr quasi in den vollkommen frischen Stauanfang und man liest gelegentlich die Rants wegen eben keine rettungsgasse und erinner mich, ich war wirklich beeindruckt, wie durchgängig sauber und weit da *alle* direkt den Mittelstreifen freimachten. Als man stand, wurds konfus: plötzlich meinten noch zwei Autos, doch lieber auf die rechte Spur zu wollen. Es hat funktioniert und war OK, bis der erste Polizeiwagen kam, aber irgendwie hatte ich das gar nicht verstanden. Wie auch immer, ging gut.

Polizei prüfte am Unfallort, und als sie schnell drauf die Spuren sperrte, dachte ich, puh, da scheinen ein paar Leute mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Sie winkten noch eine Handvoll Autos an der Unfallstelle vorbei, und dann war dicht und ich stand quasi zwei Autos hinter weiteren zwei Autoüberresten, die in der rechten bzw. der mittleren Leitplanke hängten und gruselig aussahen. Nichts dickes, aber markentechnisch nicht mehr erkennbar, und ich muss sagen, es erstaunt mich, dass da offenbar schwerere Personenschäden ausblieben.

Es fuhren in loser Folge ein Sani, ein Notarzt, noch ein Sani und die Feuerwehr, einmal Presse, nochmal Presse durch. Alles wirkte vergleichsweise entspannt, wobei die zunehmende Sani/Notarztdichte mich erst an meiner Vermutung zweifeln ließen, es sei demnach nichts wirklich schlimmes paassiert. Ne knappe Dreiviertelstunde zug sich alles, zwischenzeitlich kam ein Abschlepper und lud kurz vor Streckenfreigabe eines der beiden Autos auf. Vorher wurde die Strecke geprüft (ich schätze, Unfallursachen und wegen ggf. reifenzerstörender Bruchstücke) und ich vermuite schwer, es gab Sorgen wegen Brand/Explosionsgefahr, die Wracks wurden mehrfach recht eingehend geprüft.

Wie gesagt: Rettungsgasse/Zugänglichkeit war bestens. Was mich wirklich erschreckte, wie oft auf der Gegenfahrbahn gehupt wurde. Ich will da gar nicht das übliche „Bäh, Gaffer“ unterstellen, wir hatten eine inzwischen erkleckliche Menge an Einsatzfahrzeugen mit aktiver Beleuchtung stehen und ich kann es kaum wem verdenken, da ggf. zu heftig als nötig in die Eisen zu steigen, bevor man sieht, ah, nur die Gegenfahrbahn.

Und dann kam irgendwann der Beamte vorbei und meinte, nun vorsichtig vorbei- und weiterfahren. Ich fragte, obs allen gutgehe und er meinte, es kämen nun alle zur Untersuchung. Wahrscheinlich wirds Vorschriften geben, was er an konkreter Info rausgeben darf, aber ich interpretiere mal tapfer ein „dann wirds eher um Schleudertrauma gehen denn um Arm ab, Kopf ab etc.“. Und wir fuhren vorsichtig vorbei und weiter. Werden viele auch schon und/oder in schlimmer gesehen haben, aber nichtsdestotrotz – es ging mir etwas nach. Einmal, dass es doch alles sehr rund und entspannt lief, dass trotz furchtbar aussehender Wracks offenbar größere Verletzungen ausblieben und dass ich in solchen Situationen an sich immer recht entspannt und geduldig bin, aber mir nie wirklich Gedanken gemacht hatte, was an sich alles neben dem Bergen/Retten/Notarzt und der Räumungsarbeiten an Sachen passieren, beachtet, geprüft werden müssen. Und ein Stückweit die Soziologenfaszination „Individualverkehr als großtechnisches System“ – was da an Komplexität dranhängt, wieviel Wissen, Verhaltensnormen, Regulierung/Organisation und Kooperation quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche da dazu führen, dass in einer solchen Ausnahmesituation alle ein zweckdienliches Verhalten an den Tag legen. Es ist erstaunlich und trotz des unerfreulichen Anlasses irgendwie beeindruckend.

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