Kultur von fast allen für fast alle, ein paar Ergänzungen

Einmal mehr was mit Utopiastadtbezug, aber vor ein paar Wochen interviewte das Engels-Magazin Ebi und mich zum Thema Partizipation und Teilhabe insbesondere von Gefllüchteten oder Menschen aus migrantischen Communities, und nun sind längere Gespräche mit anschließender Kurzfassung in X-Zeilen-max-Artikeln immer so eine Sache und nehme ich die notwendigen Verkürzungen auch nicht übel, aber das Thema beschäftigt mich und ich mag ein wenig Gedanken abkippen.

Ein ethnisch weitgehend homogenes Bergbauteam im Bernsteinzimmer unter der GPA

Bietet Utopiastadt Möglichkeiten zu Teilhabe und Partizipation für Geflüchtete, migrantische Communities etc.? Ja natürlich, der Gedanke ist ja, allen Möglichkeiten zu möglichst niedrigschwelliger Teilhabe zu bieten. Und deswegen gibts, Zitat aus dem Artikel,

…nicht nur schöne Möglichkeiten, sich direkt an der Nordbahn-Fahrradtrasse aufzuhalten, sondern es gibt auch Bildung und Kultur kostenlos – also überhaupt erst einmal einen niederschwelligen Zugang zu verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und die Möglichkeit neue Leute kennenzulernen. Und so geschieht der Dialog hier nicht einfach bloß durch Diskussion, sondern vor allem über die Praxis. Darüber, dass man etwas miteinander tut, sei es Fahrräder zu reparieren, Essen zu retten, Tomaten zu pflanzen oder alte Wände einzureißen..

Und das ist so wahr wie wenig hilfreich, denn…

…ganz so einfach sei das alles dann doch wieder nicht, sagt Richie. Es genüge nicht, bloß eine Einladung an diejenigen auszusprechen, die sich Kultur und Bildung sonst finanziell nicht leisten können.

…und dann wird kurz gerafft, dass es um Schamgrenzen, Zeitressourcen und der generellen Schwierigkeit, „migrantische Communities zu erreichen“ geht. Und das mag auch „stimmen“, aber erklärt recht wenig (ab davon, dass ich mich schwertue, „echte“ Lösungen des Problems zu sehen.

Die „Schamgrenzen“ stehen für sich etwas kontextfrei da, die Geschichte zum Begriff scheint mir aber erhellend/verdeutlichend. Wir haben ein massives Armutsproblem in Wuppertal, und natürlich wollten wir hier „leicht zugänglich“ und offen sein. Daher Only Hut-Konzerte (Eintritt/Spende frei wählbar), kein Verzehrzwang usw., indes: die einschlägige Zielgruppe blieb draußen. Und was ich auch erst deutlich verzögert erfuhr: das war allen an sich nicht recht und man grübelte, was man tun könne, aber so wars, so bliebs, bis… nun, bis eine komplett externe Gruppe an uns rantrat und fragte, ob man im Hutmacher eine Foodsharing-Station aufmachen könne, weil ansonsten seien diese oft genug bei einschlägigen sozialen Einrichtungen und an sich gehöre das in die Mitte der Gesellschaft. Foodsharing kam und die Leute, die es nutzten, auch. Und nach ner Weile blieben sie auch im Hutmacher oder dem Außengelände, wenn sie schon mal da waren. Learning 1: nett willkommenheißen alleine bringt gar nichts, Learning 2: das musste man uns von extern her beibringen.

Für mich war das ein Augenöffner. Und man sollte meinen, es gäbe was draus zu lernen und abzuleiten. Allein, gehen wir den Schritt zur zweiten angesprochenen Zielgruppe, Geflüchtete und migrantische Communities.

Ethnisch homogenes Werkstattteam

Ethnisch homogenes Werkstattteam

Mein vager Eindruck generell: das läuft nicht ganz verkehrt. Insbesondere in den Coronasommern kam mir das „Trassenpublikum“ da einigermaßen repräsentativ gemischt vor. Was ich aus dem Augenwinkel am Fahrradverleih mitbekommen habe, geht in die ähnliche Richtung – klar, da schlägt nicht die gutsituierte Mehrheitsgesellschaft mit SUV und Fahrrad-Dachgepäckträger auf. Wo wir da keine Repräsentation haben, das sind die Aktiven. Woran liegts?

Einige Punkte.

· Zum einen einschränkend vorweg: *ganz* Ebbe ist nicht. Ich sah Kids von der Alten Feuerwache, die gern und einiges hier gerissen haben und stolz drauf waren. Es hätte einen Bufdi mit Fluchthintergrund gegeben, wenn er nicht doch direkt eine Ausbildungsstelle bekommen hätte. Und gelegentlich sind durchaus geflüchtete Freunde am Machen und Tun hier.
· Zum anderen: die schon mal angesprochene Ressource Zeit und Möglichkeiten/Privilegien. Die muss man haben. Und die haben Menschen nicht, die einigermaßen prekär und unter Jobcenter-Kuratel hier leben. Himmel, es gibt auch die, die mit Bürgerkriegstrauma dasitzen und wo man froh ist, wenn sie aus der Bude kommen, weils die Depression zulässt. Wirklich, in den Kontexten freue ich mich, dass es den Zuspruch „auf der Fläche“ gibt, dass die Leute herkommen und die Angebote nutzen. Es kommt mir reichlich vermessen vor, grade da ein „Engagiert euch!“ rauszuhauen, andersrum wird ein Stiefel draus: grade deswegen mach ich mit meinen Ressourcen hier was, damit diese Personengruppen mehr Möglichkeiten haben wohinzugehen, wenns Zeit und Geldbeutel zulassen.
· Zum dritten eine spannende „kulturelle“ Frage. Ich bin ja kein Freund von „Wegen Kultur“-Zuschreibungen, aber tatsächlich ist in den typischen Fluchtstaaten das Konzept „bürgerschaftliches Engagement“ schlicht kaum bis nicht präsent. Zugespitzt: ein Assad-Regime würde sowas wie UST halt verbieten, weil Organisation mit gsellschaftspolitischem Anspruch und keiner Regimekontrolle. Das „Ehrenamtliche“ ist größtenteils unter anderem aus solchen, durchaus pragmatischen Gründen an den Moscheen aufgehangen.

Träume bitte verantwortungsvoll gestalten!

Träume bitte verantwortungsvoll gestalten!

Über die Themen haben wir auch länger gesprochen (Hint: „die Lösung“ kennen wir nicht), aber grade dazu würde mich schon interessieren, ob und wie weit es da Ansätze, Erfahrungen etc. gibt. Ich bin mir nicht mal sicher, ob „wir“ hier ein Problem haben oder das eine der Sachen ist, wo man schlicht auf die Zeit setzen muss, weils wenig wirksame und sinnvolle Hebel gibt. Nochmal, ich bin sicher, dass Geflüchtete in .de eine ganze Menge anderen Kram mit höherer Prio auf dem Schirm haben und es durchaus auch problematisch ist, ein „Engagiert euch“ an sie heranzutragen.

Mittelfristig seh ich da aber durchaus Handlungsbedarf, oder wenden wirs positiv, Potentiale. UST scheint mir ein wenig Musterbeispiel für die „Stärke von schwachen Bindungen“ zu sein, um noch den sozialwissenschaftlichen Schlenker zu kriegen. Es ist ein Umfeld, in dem man recht schnell recht viel lose Kontakte kriegt, Leute, die einen kennen bzw. die was machen, haben, wissen, was ggf. hilfreich ist. Es geht nicht drum, Leute einfach ins Ehrenamt einzubinden, es sollte vor allem drum gehen, ihnen die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten zu erschließen.

Wobei wir auch hier längst nicht ratlos an irgend einem Anfang stehen und nicht wissen, wie das in weniger inkludierte Communities ausgeweitet werden kann – genau sowas passiert bereits seit langem. Aber da bin ich einerseits sicher, dass es noch Luft nach oben gibt, und weiterhin, dass es da einige Augenöffner mehr zu entdecken gibt, bei denen wir uns in ein paar Jahren auch an die Stirn hauen werden und sagen, Himmel, man hätte draufkommen können. Sachdienliche Hinweise wie meist immer gerne :)

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