2027, according to Chris

Der Chris schreibt angenehm, und was er da anläßlich der letzten Wahnsinnigkeiten bezüglich Überwachung, Abmahnerei, Religionswahn, DRM-und Copyrightgeschichten zu den zu erwartenden Zuständen in 21 Jahren in sein Blog gestellt hat, hätte auch in die c’t-Kurzgeschichten gepasst. Lesen?

OK, was mir dazu in den Sinn kommt: vom Inhaltlichen her bin ich – obgleich ich mir einiges, über was ich im letzten Jahr gulli:news schrob, auch nicht hätte träumen lassen – ein wenig unsicher, ob mir da manches nicht ein wenig arg einfach linear fortgeschrieben scheint – Rohlinge in 20 Jahren, ich zweifle; die 50-Jahres-Geschichte mit PC-Verbot und der Ressourcenknappheit kommt mir anlässlich der offenbar verbreiteten High-End-Rechner sehr seltsam vor, usw. – solche Unstimmigkeiten, aber darauf kommts eigentlich weniger an – man sieht, wo der Weg hinführt, und ob die Daten dann auf nem MS-lizenzierten Rohling liegen oder auf nem zertifizierten Google-Server, egal. Haarspalterei.

Was mir bei der ganzen Sache hingegen fehlt, unterrepräsentiert scheint, meine Dystopie diesbezueglich ist, ich aber nur ganz selten finde: das wirkt mir alles viel zu umständlich, das wird alles viel einfacher und unbemerkter sein. Und in der Wahrnehmung der Menschen viel weniger präsent. Ich glaub nicht dran, dass man Adresse und Fingerabdruck eingeben muss, wenn man sich nen Rohling fürs Autoradio brennen will. Das macht die Soft automatisch im Hintergrund. Die Wecker werden per se bedienerfreundlich sein, denn sie werden effizient wecken müssen, sonst kriegt man Stress. Usw. – ich denk da v.a. an die öffentliche Videoüberwachung, die findet heuzutage eben *statt*, das nimmt niemand zur Kenntnis. Ad- und Spyware auf dem Rechner bemerkt man nicht. Was Google Mail mit den Mails anstellt, die man kriegt und verschickt, was mit der Surfhistory der Toolbar passiert, man weiss es nicht und man kriegt nichts mit davon, nachdem mal mal ne Eula abgeklickt hat.

Oder der Rollback der Religionen, die angesprochen wird – auch der geschieht trotz der ganzen erhitzten Debatten mit einer Selbstverständlichkeit, die ihn unauffällig macht. Jenseits der einschlägigen Foren findet keine fundamentale Kritik am Wiederwerstarken der Fundis in der deutschen Politik statt, und Eltern werden auch in Zukunft nicht zum Religionsunterricht verdonnert werden, das macht die gesellschaftlich inszenierte Normalität von ganz allein. Dafür muss man nur behaupten, dass die „abendländischen Grundwerte“ christliche Wurzeln haben, drauf geschissen, dass diese Werte *gegen* die Kirchen und das Christentum erkämpft werden mussten, in der Regel von Leuten, die auf das Christentum herzlich wenig gaben. Denn die öffentliche Debatte beschränkt sich ja doch meist darauf, zuzugestehen, dass alle Religionen Werte vermitteln (siehe Obergegenpapst Küng) und vielleicht auch noch, dass Wertevermittlung ohne Religion auch möglich ist, wenns wirklich weit raus geht. Davon, dass humanistische Werte, auf denen unsere Gesellschaft beruht, *gegen* die ganzen Religionen erkämpft werden mussten und mal wieder der Bock aufs Dreisteste zum Gärtner gemacht wird, davon redet kaum jemand.

Von daher, dass da alles totalitärer, kontrollierter, überwachter wird, daran gibts wenig Zweifel. Der Trick dabei ist, dass man es weit weniger merkt, wie im Text beschrieben.

Zwei Empfehlungen zum Schluss: Foucaults „Überwachen und Strafen“ lesen, klar, dass ich damit komme. Das andere: Im aktuellen Technology Review – Editorial fragt Sascha Mattke, was von so einem Szenario zu halten sei:

„Ganz Deutschland würde mit Kameras und Mikrofonen lückenlos überwacht. Bilder und Töne aus Ihrem Wohnzimmer, Ihrem Badezimmer, Ihrem Büro, aus dem Wald und von öffentlichen Plätzen würden für einen langen Zeitraum gespeichert. Die Daten würden streng geschützt, und Strafverfolger dürften nur darauf zugreifen, wenn am fraglichen Ort ein schweres Verbrechen geschehen ist….
Dass so ein System vor dem Grundgesetz niemals bestehen würde, möchte ich nicht als Gegenargument gelten lassen – auch die Verfassung lässt sich, die nötige politische Mehrheit vorausgesetzt, ändern. Dagegen bin ich trotzdem, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht recht, warum. Und Sie?“

Mag wer hinmailen? Und mag wer ne Prognose abgeben, wieviel Leute sich, käme es dazu, sich dafür interessieren würden? Kleine Denkanregung: das ganze nichtinvasiv denken – man muss keine Kameras installieren, sondern fängt beispielsweise damit an, alle Telefonanschlüsse mit zuschaltbarem Rückkanal auszustatten, mit dem man das Telefon auch im aufgelegten Zustand zur Mithör-Wanze nutzen kann.

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3 Responses to 2027, according to Chris

  1. Chris sagt:

    das wirkt mir alles viel zu umständlich, das wird alles viel einfacher und unbemerkter sein.

    Das ist natürlich richtig, das geschieht ja heute schon so. Nur wenn man schreibt, wir haben die totale Überwachung lockt das niemanden mehr vor dem Ofen hervor, so wahnsinnig es ist, es wird größtenteils schon als Selbstverständlichkeit angesehen – wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Bedenken haben.

    Ich hoffe, mit so eine einfachen Darstellung wenigstens den einen oder anderen zu erreichen, der dann einfach mal überlegt, was hier los ist. Wenn man z. B. mal an die ganzen Karten denkt, die die Kaufhäuser so ausgeben, ist die totale Überwachung im normalen Leben ja jetzt schon gegeben, auch wenn unsere Politiker und Industriellen das Gegenteil behaupten.

    Von daher, dass da alles totalitärer, kontrollierter, überwachter wird, daran gibts wenig Zweifel. Der Trick dabei ist, dass man es weit weniger merkt, wie im Text beschrieben.

    Der Satz von Orwell, der uns schon eingeholt hat, interessiert kaum noch jemanden da draussen, mit so einer plastischen Darstellung dessen, hoffe ich, dass vielleicht der eine oder andere doch nachdenkt.

    Deine Kritik sagt, es wird alles viel einfacher, unbemerkter laufen, als im Text dargestellt. Okay, kann ich nachvollziehen. Aber, erzähl den Leuten doch mal etwas davon, dass sie allein beim Besuch des Hauptbahnhofes zig mal gefilmt werden, beim Kauf des Tickets per Kreditkarte gibt es unzählige Datenbankabfragen, und das ist nur die Spitze des Eisberges. Schulterzucken ist meist die Antwort – Ich hab doch nichts zu verbergen. Wenn ich aber in den letzten Tagen die Story vorgelesen habe, war die erste Reaktion, was ich genommen hatte, als ich den Text geschrieben habe, die zweite war, erzähl mal – darum gehts mir, nicht ob es an der einen oder anderen Stelle realistisch ist.

    Chris

  2. Falk sagt:

    Leider kann man dem Trend gegen dieses langsame Unterwandern und Aufweichen der Privatssphäre nicht mit den selben Mitteln vorgehen. Oder mir fehlt einfach der Ansatz, diesem Trend mit subtilen Mitteln gegenzusteuern. Also bleibt an sich nur, solche Szenarien zu zeichnen, wobei dann viele dies eher als Utopie denn als Realität abtun werden. Und selbst wenn man noch so gut begründet, was gegen all diese Überwachungsszenarien spricht, bekommt man am Ende ein „Ich hab doch aber nichts zu verbergen“ an den Kopf geworfen. Und dagegen scheint derzeit kein wirkliches Kraut gewachsen oder ich habs einfach noch nicht gefunden.

    Solche komplexen Zusammenhänge verstehen leider nur noch die wenigsten Menschen und versuch dann mal dieses Thema auf Stammtisch-Niveau (Bild-Niveau?) runter zu rechnen.

    Ist das möglich?

    Diese Frage stellt sich viel zuoft und bleibt meist unbeantwortet.

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