Wir pflegen eine kleine Schwäche für die Astronomie, „beobachtend“ im Sinne von „wir gucken nicht selber irgendwo durch, erfahren aber gerne von größeren und kleineren Institutionen, die selbiges tun, und empfinden eine gewisse Faszination und auch Freude über die Erkenntnisse, die das Ganze so mit sich bringt.“ Vor ein paar Jahren auf La Palma waren wir beim Observatorium auf dem Roque de los Muchachos, und dann liegt es nahe, auf Teneriffa zum Gegenstück zu gehen. Dort kann man Führungen bekommen und wir machten eine.
Das Observatorium Teide liegt, wie der Name sagt, auf einem Plateau am Teide, dem höchsten Vulkan auf Teneriffa. Das Observatorium liegt aus Windgründen „nur“ auf 2400m, und es stehen viele Teleskope und Beobachtungsgeräte dort rum. Nicht so viele wie auf dem Roque de los Muchachos, wie ich mir dann sagen ließ, denn es fühlte sich nach „mehr als“ an. Das liegt aber daran, dass die Gesamtfläche kleiner ist, alles enger steht und daher nach mehr aussieht als die verstreuteren Anlagen auf der Nachbarinsel. Beide zusammen bilden die Europäische Nordsternwarte ENO. Was wird dort beobachtet?
P.S. 360°-Bilder. Es geht grade wieder, auf Umwegen.
Sehr viel: Sonne. Das Observatorium hat eine Tag- und eine Nacht-Abteilung, und der Schwerpunkt auf Teneriffa liegt auf der Tagesseite, weil die Lichtverschmutzung auf Teneriffa höher ist als auf La Palma, trotz meist vorhandenem, lichtabschirnemdem Wolkenmeer. Licht braucht um die acht Minuten von der Sonne bis zur Erde, die Teilchenstürme ne Woche, deswegen werden mit den Sonnenobservatorien in erster Linie Sonnenstürme beobachtet, die mögliche Probleme im Stromnetz und ähnlich anfälligen Strukturen mit einer Woche Vorlauf ankündigen. Beobachtungsdaten gibts öffentlich im Netz. Man kann auch selber durch das eine oder andere kleinere Sonnenteleskop gucken, wir hatten leider einen leicht wolkigen Tag erwischt, aber für ein paar Härchen am Sonnenrand (Protuberanzen, Eruptionen) und einen recht fetten Sonnenfleck hat die Sicht gereicht.
Die Sonnenteleskope sind alle recht hoch gebaut: die eigentlichen Kuppeln sind alle mit über fünf Meter Unterbau auf Türme gesetzt, damit die Wärmestrahlung vom Boden so wenig wie möglich stört. Was auf die Sonne guckt, ist hoch, das meiste „niedrige“ ist eher Nachtbeobachtung.
Ansonsten gibt es einige Teleskope plus Laserstationen, die Weltraummüll observieren. Alles größer zehn Zentimeter wird verfolgt und die Bahnen ermittelt, weiter gibts dann auch direkt die Laserstationen, mit denen diversen Sateliten dann die Anweisungen für Ausweichmanöver geschickt werden. Und natürlich eine Latte weiterer Teleskope, die von verschiedenen Ländern dort gebaut und genutzt werden.
Eines der ältesten ist das „Carlos Sanchez“, mit einer witzigen Geschichte: es wurde zu extrem niedrigen Kosten mit einem 1,5m-Spiegel in Europa gebaut und sollte an einen Kunden in Übersee. Um Geld zu sparen, wurde die Mechanik des Teleskops mit Altmetall aus WK2-Kriegsmaterial gebaut, ich meine, in den Siebzigern. Tatsächlich war das Gerät bei unschlagbaren Materialkosten gerade im Kostenrahmen fertiggestellt worden, nur stellte sich dann heraus, dass der Transport nochmal so viel kosten würde und dann blieb es da. Ich fragte angesichts des sehr dick wirkenden Spiegels eher spaßeshalber, ob das ohne moderne adaptive Optik noch wirklich sinnvoll zu gebrauchen sei und kriegte zur Antwort, die sei natürlich nachgerüstet worden, das hätten alle Teleskope hier. Ich war überblüfft und bin einmal mehr fasziniert, wie es Physiker hinbekommen, einen tonnenschweren, fetten Spiegel in Echtzeit so exakt minimalzuverformen, dass Störeffekte aus Luftbewegungen eliminiert werden können, bei jahrzehntealter Technik.
Man merkt, die Führung war fein, und selbst mit einigem Amateurwissen um alles mögliche hörte man viel spannendes, erhellendes oder einfach mit der Nuance „näher dran“ erzähltes.
Zu guter Letzt: es scheint tatsächlich auch eine einzigartige Einrichtung in Sachen „mal angucken können“ zu sein. Auf dem Roque de los Muchachos gibt es wohl (inzwischen?) Führungen in einem der Teleskope (?), so hieß es jedenfalls, nur find ich auf der Webseite nichts dazu. Die anderen großen Sternwarten der Europäer stehen auf Hawaii und in Chile (die ESO-Bilder sind btw. fantastisch), und beide eher in so 4-5000m Höhe, man kommt nicht ohne Akklimatisierungszeit hin, auf dem ESO in Chile seien die Techniker in der Regel mit Sauerstoffflasche unterwegs und es ist auch nicht grade ums Eck.
Konkret: mir hats gefallen. Mir persönlich verschaffen solche Forschungseinrichtungen auch immer ein wenig Glauben an die Menschheit: aus aller Welt kommen Leute und wollen zusammen was rausfinden. Und offenbar gibts eine starke und vom Staat so geforderte und geförderte open Access-Kultur: spätestens nach der Publikation müssen alle auf dem Teide gewonnenen Rohdaten öffentlich zugänglich gemacht werden. Was ich mir nebenbei gar nicht ganz so einfach vorstelle. Ich fragte da auch nochmal wegen der Infrastruktur, weil das eine oder andere richtfunkartige rumstand: die ganze Anlage hängt natürlich am Inselstromnetz und einer fetten Glasfaser. Der Hauptteil des Strombedarfs gehe tatsächlich für Datenerfassung und -transfer drauf (was mich verblüffte, ob der Nachführung tonnenschwerer Teleskope, Kühlung von Infrarot- und Sonnenteleskopen etc.), und natürlich werden Terabyteweise die Daten gewonnen und verschoben.
Funfact am Rande: …ich korrigiere mich, doch keiner. Ich hatte vor ein paar Wochen wegen irgendwas die Wiki zu „Transatlantikkabeln“ aktualisiert (es ergab sich, dass es überhaupt keine transatlantischen Telefonkabel, aka TAT in Betrieb mehr gab, wodurch der Artikel etwas komisch wirkte) und war sicher, dabei drauf gestoßen zu sein, dass eines der alten Kabel nur teilweise dekommissioniert wurde und ein Teilstück Kanaren/Spanien in Betrieb blieb. Stellt sich raus, es waren die Azoren. Irgendwann guck ich nach, an welchem Kabel die Kanaren hängen.