Arbeitsrechner fixen, Murphys Law-Edition

Ich kann nicht genau sagen, wie alt mein Rechner ist. Zu Unizeiten in den späten 90ern kaufte ich mir meinen ersten Bigtower und baute was rein, was Windows95 konnte, ich erinnere mich an Turtle-Beach-Soundkarten, überteuerte SCSI-Adapter von Adaptec und ISA-ISDN-Karten, die man erst installieren, dann jumpern und dann einbauen musste, aber ich schweife ab. Seitdem kam mal neues Mainboard/CPU, mal ne neue Platte, mal ein neues Netzteil, GraKa, Peripheriefluktuation, wie mans kennt, jedenfalls, die Kiste ist seitdem ein Paradebeispiel der Mach’schen Illusion der beständigen Substanz.

Verflucht sei NVidia! Mögen sie auf ewig in der Hölle brennen!

Verflucht sei NVidia! Mögen sie auf ewig in der Hölle brennen!

Linux und NVidia-Treiber, ich ahne Leute, die jetzt bereits schreiend wegrennen, ich hab mein Maß an Zickigkeit des widerständigen Geräts abbekommen, aber an sich hats nach gutem Zureden immer gut funktioniert. Jedenfalls wollte die Monitorerkennung und die Auflösung eines Abends nicht wie ich, und der erste Reflex ist halt „hm, neue Treiber?“ Ich hatte 570, die Teuerste zockt nebenan grade Baldurs Gate 3 auf Kubuntu und 575, ok, bügeln wir 575 drüber. Funktioniert nicht. 570 wieder? dito. Nouveau, nur zum checken? Nur ein Monitor läuft statt 2. Die Linux .run 580 beta von nvidia? Na, komm, der Versuch ists wert. Ich lernte, wie man rückstandsfrei NVidia-Treiber von System kriegt, das Problem bestand indessen weiter und wechselte nur die Ausprägungen (halb hochkommende Kiste, halber Monitor eingefroren etc.) Stellt euch zwei solche Abende vor, und wie währenddessen mein Hass auf NVidia wuchs und gedieh, zu jener unaussprechlichen, blasphemischen Monstrosität, die heute mein Herz und meine Gedanken mit gifttriefenden Tentakeln umschließt und beherrscht.

Jedoch, ein zartes grünes Pflänzlein der Hoffnung sprach, flüsternd anfangs „Radeon? Warum nicht einfach in Zukunft und für alle Zeiten Radeon?“, und bald wurde daraus der Kampfruf „Weg mit dem NVidia-Dreck! Weg mit der widerlichen Hardware dieser verkommenen Klitsche, die sich an den Geldbörsen der KI-Apologeten fett frisst! Verflucht und verdammt auf ewig ihre proprietäre Treiberscheiße und ihre CUDA-Technologie, möge sie nie wieder meine Infrastruktur mit ihrer verderbten Präsenz verunreinigen! In keinem PCIe-Slot sei sie je wieder willkommen, und verflucht soll sie sein und alle ihre Folgegenerationen!

So rief ich nicht, aber dachte sinngemäß. Der Paketdienst meines Vertrauens brachte etwas später als erwartet die erhoffte Erlösung, die war jedoch keine, sondern eine Wiederholung des bekannten Fehlerbilds. Bzw., leicht variierten Fehlerbildern, nur halt mit amdgpu. Und nun machte ich was, was ich eigentlich schon früher hätte machen sollen, aber der heilige Zorn auf NVidia wird meinen Geist ein wenig getrübt haben: ich erstellte mir einen Bootstick und fuhr die Kiste mal von selbigem hoch. Schrägerweise kriegte ich nur einen Recovery Mode zum laufen, den aber tatsächlich mit beiden Bildschirmen. Ansonsten kein Display, Freeze beim Booten, halbe Bildschirme (und Freeze), usw. Immerhin: man kann Laufwerke und RAM testen. Alles tadellos.

Irgendwas ist kaputt.

Irgendwas ist kaputt.

Hm, Mainboard? Ich machte extrem hoffnungsfroh ein BIOS-Update. Brachte gar nichts. Hm, womöglich trotzdem Mainboard? Ein weiterer Testlauf mit einer rumliegenden ausrangierten NVidia (argh!), die immer gelaufen war, änderte das Fehlerbild auch nicht. OK, Mainboard. Eines der älteren Komponenten, die Kiste ist ein Arbeitspferd und ich habe angesichts absolvierter Laufzeiten Verständnis für jeden vertrockneten Kondensator, wenn ich ehrlich bin.

Jedenfalls orderte ich ein Mainboard. B-Ware, weil günstiger (und weil nur das Slotblech fehlte), AM4 weil AM4-Prozessor vorhanden, der mir vollkommen reicht. Außerdem: solide Technik, von der ich weiß, sie rennt mit dem Rest des Krams, der rumsteht. Er kam Freitags an, und nach Feierabend machte ich mich ans Zusammenbauen.

Eine Baustelle.

Eine Baustelle.

Nein, natürlich nicht, ich machte mich ans Auseinanderbauen, und scheiterte. Ein Boxed Ryzen kam seinerzeit mit einer Monstrosität an Kühler, die das Hochklappen des Prozessorriegels nachhaltig unterband. Man muss den Kühler entfernen, bevor man den Prozessor entfernen kann, und das gestaltet sich schwierig, wenn Jahre der Arbeit Prozessor, Wärmeleitpaste und Kühlkörper zu einer unheiligen Dreieinigkeit zusammengebacken haben.

Jedenfalls schaffte ich es, Kühler mit angebackenem Prozessor aus dem Sockel rauszuruckeln und anschließend unter kreativem Einsatz von festem Blech, Schraubendreher und bedacht angewandter sanfter Gewalt den Prozessor vom Kühler zu lösen. Um anschließend den sorgfältig gereinigten Chip nochmal sehr genau zu prüfen, ob Pins verbogen waren. Keiner war verbogen! Einer war abgebrochen! WARUM? WIE? Ich war zornig. Sehr zornig. Und es war Freitag abend.

Wenn man genau hinsieht, fehlt was.

Wenn man genau hinsieht, fehlt was.

Mediamarkt hat soviele Prozessoren, dass sie welche verkaufen müssen. Hier um die Ecke ist einer. Demnach krieg ich da gleich einen, nicht irgendwann per Online-Order mit Glück kommenden Montag, oder? ODER? Ich stiefel hin, suche, frage, wo die Prozessoren sind, haben sie seit über nem Jahr keine mehr im Vorort-Verkauf. Ich bin nicht auf dem aktuellen Stand der Waffenverbotszonen in Innenstädten, ergo ohne entsprechende Ausstattung unterwegs und mit bloßen Händen tödliche Gewalt anzuwenden bin ich nicht in der Lage, folgerichtig fragte ich mühsam, wo es hier im Umkreis gegebenenfalls Prozessoren geben könnte. Mir wurde ein Fachgeschäft einen knappen Kilometer weiter empfohlen, ich biss die Zähne zusammen und machte mich auf den Weg.

Ja, AMD/AM4 hätten sie was da. B550-Chipsatz, ja. Nur noch den 5700X3D, weil jetzt wollen ja alle AM5. Ob ich den nehme? Ja klar. Und einmal Wärmeleitpaste.

Ruppsel stiefelt heim, setzt den Prozessor ein, verteilt Wärmeleitpaste, verbaut den Kühler, schraubt alles zusammen und drückt den Anschaltknopf. Am Mainboard brennen die LEDs für RAM und Prozessor, Komponenten schalten sich ein, weiter passiert nichts. Oh Gott, LED für RAM *und* Prozessor. Trotzdem mal andere RAM-Riegel testen, nur eine Bank testen, die andere Bank testen, nur einen Riegel, was man halt macht, bevor man sich eingesteht, dass da wahrscheinlich das BIOS nicht mit dem neueren Prozessor klarkommt und erst mal ein Update braucht.

Habemus Radeon.

Habemus Radeon.

Nur: für ein Bios-Update muss ein funktionierender Prozessor im Board sein. Zufällig liegt hier ein älterer Prozessor rum, dem nur ein Pin fehlt. Ich baue also den Lüfter wieder ab (bei frischer Wärmeleitpaste geht das ganz gut), baue den alten Prozessor mit fehlendem Pin ein, pack ein wenig Wärmeleitpaste dran, setz den Lüfter wieder auf, baue ein, schalte ein, erwartungsgemäß passiert nichts. Folgendes ist peinlich, aber vielleicht entschuldbarer, wenn man bedenkt, dass ich eine Arbeitswoche, einige Frustrationen sowie zwei kurz zurückliegende wütende Spaziergänge hinter mir habe. Der genaue Zeitpunkt des Geschehens ist mir unklar, aber bevor ich nochmal einen Versuch mit dem neuen Prozessor starten wollte, fiel mir auf, dass frische Wärmeleitpaste rumschmiert. Weiterhin kann sie, baut man in seelisch instabilen Zuständen frisch bepastete Prozessoren und Lüfter aus oder ein, auf irgend eine Weise am und damit auch im Prozessorsockel landen, wenn man wütend einen Prozessor in einen entsprechend bepasteten Sockel einsetzt.

Bedauerliche Fehlleitung.

Bedauerliche Fehlleitung.

Im stillen berufe ich mich für alles folgende auf einen psychischen Ausnahmezustand, in dem ich ohne weiteres Nachdenken direkt nach einem aktuellen AM4-Mainboard suchte, sowie einem Anbieter, der selbiges mit garantiert aktuell geflashtem BIOS ausliefert. Dass die Versendebestätigung später kam, war nicht unerwartet, indessen, sie kam erst am folgenden Donnerstag. Wahrscheinlich arbeitet die BIOS-Flash-Aushilfskraft nur mittwochs und freitags. Freitags folgte bis auf die „nun in der Region des Zustellers„-Nachricht nichts von der Zustellfront, Samstag dann die Verladung ins Zustellfahrzeug, und fünf Minuten später der Hinweis auf eine bedauerliche Fehlleitung, weswegen sich die Lieferung verzögere. Das tat sie. Ich atmete ein, ich atmete aus.

Und nun haben wir Montag und ich tippe diesen Absatz an meinem Arbeitspferd, das nun wieder voll funktionsfähig ist. Das Mainboard wars, den NVidia-Exorzismus nehme ich als vollkommen vertretbare Nebenwirkung mit, einen neuen Proz hätts nicht gebraucht, aber scheiß drauf, es gibt schlimmeres als eine schnellere CPU. Einzige kurze Hakelei war das Überspringen des fTPM, das wird noch irgendwie global im BIOS zu deaktivieren sein. Tatsächlich aber ein schnelles und irgendwie schwer mein Nervenkostüm beruhigendes Ende einer ärgerlichen Geschichte – Mainboard montiert mit Proz, Lüfter, Ram, SSDs, Graka. Peripherie angeschlossen, angemacht, schwarzer Bildschirm (WAAAAH!) und bemerkt, dass ich beim USB-Einstöpseln die Grafikkarte ein Stück aus dem Slot geschoben hatte. Abgeschaltet, GraKa reingedrückt, Bios meldet neuen Proz, bootet neu, fTPM ignoriert, existierendes System fährt hoch, Ruppsel schreibt Blog fertig.

Die Kiste rennt wieder.

Die Kiste rennt wieder.

Ich bin fürs erste mit der Welt versöhnt.

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