CCCamp: was sollten wir in Zukunft besser können?

Neuland ist schön. Manchmal beunruhigend, aber schön.

Neuland ist schön. Manchmal beunruhigend, aber schön.

Wenn man nicht rauslas, dass ich vom Cccamp23 derbe begeistert war und es ganz weit vorn lag bei den bisher von mir miterlebten Chaosveranstaltungen, dann hab ich was falsch gemacht. Und wenn ich jetzt mit einem „was geht besser?“ komme, dann mitnichten, weil ich was schlecht fand oder gar scheiße. Jetzt kann man „Jammern auf hohem Niveau“ sagen, aber ich denke, einiges ist an sich eher Nobrainer, ein „Ach, stimmt, sollten wir“ und/oder es macht eh Spaß.

Mehr Wiki, mehr Selbstorga online

Eins von mehreren „Früher war mehr…“ und ja, Dinge ändern sich, aber früher war mehr Wiki, und mir kommt das systemrelevant vor. Das Wiki ist immer einer der „Wir organisieren uns selber“-Knotenpunkte gewesen und das ist es jetzt nicht mehr. Ich würde soweit gehen zu sagen, hier sind auch wirklich faktische Designfehler, denn wenn man Selbstorganisation fördern will, dann braucht man einen anderen Einstieg:

Willkommen bei Finde das Wiki

Das scheint mir in mehrfacher Hinsicht nicht die richtigen Signale zu setzen. Einmal weiß man nicht, wo man da jetzt wirklich „selber“ was machen, eintragen, organisieren kann. Soweit ich sehe, kommt man nur über den „Wiki“-Headerlink ins Wiki, und das fiel durch die Bank extrem spartanisch aus. Was der Unterschied zwischen Wiki und Community Content ist? ich weiß es nicht. Channels? Dito. Wenn ich ne self organized Session machen will: wo schreib ich das hin? Ich weiß nicht, wieviel Mehrarbeit entstand, weil eben alles irgendwie von irgendwem irgendwo angemeldet und eingetragen werden musste, weils die Leute nicht einfach selber machen konnten, meine Vermutung wäre aus der Hüfte aber zumindest „Ja.“.

Und drin bevor kleinlich, was mich wirklich ein wenig vor den Kopf stieß, war das „Ihr“. „Ihr seid angekommen!“, „Die Villages – das seid Ihr:“, „…die beliebten Self-Organized Sessions für all Eure spannenden Wissensgebiete.“ Wer ist ihr, bin das auch ich? Wer sagt das zu mir, ist das wer anderes? Ich beantrage nachdrücklich, in allen Campseiten jegliche Nennung von „Ihr“ durch „Wir“ und analog zu ersetzen. Ernsthaft, Camp ist nicht, dass wer auch immer „euch“ willkommen heißt.

WIR sind angekommen. Die Villages, das sind WIR. Und die Self-Organized Sessions gibt es für alle UNSERE Wissensgebiete. Das klingt vielleicht manchem wie grammatischer Kleinkram, ich bin aber einigermaßen überzeugt, dass sowas wichtig ist. Ich würd auch mehr von dieser ganzen Einstiegsseite, dem „Hub“ etc. wikifizieren. So sieht mir das aus wie eine beliebige Businessseite, die drauf abzielt, aufschlagende Nutzer möglichst schnell zum jeweiligen Conversionziel hinzunavigieren. Ich mach Onlinemarketing und hab für solche UX-Designs soviel Verständnis, wie man sich nur denken kann, aber wir sind eine vollkommen andere Usergruppe: das hier war nicht richtig so und bremst uns aus.

Mehr bloggen

Ich hab gedrückt!

Ja doch! Drückt mehr Knöpfe!

Mir fiels erst gar nicht auf, ich bloggte halt wie immer vom Camp, weil ich gern gelegentlich alte Campeinträge nachlese. Weiter war ich wahrscheinlich zu sehr damit beschäftigt, mich drüber zu freuen, wie die on-premises-Coverage nahtlos von Twitter zu Mastodon gewechselt war und ich mich auch sozial immer bestens auf dem Stand fühlte. Dann tickerte stk und wies drauf hin, dass er außer mir niemanden bloggen gesehen hat. Auch hier wieder: „Oh jeh, der alte weiße männliche Ruppsel kommt mit Kulturtechniken von vor fünfzehn Jahren und heult rum“, aber ich wüsste nicht, in welcher anderen galaktischen Versammlung von Lebensformen man besser das Konzept einer vernetzten Gegenöffentlichkeit pushen sollte, die die Camp-Themen halt auch verbreitet. Klar, drohendes Preaching the converted und schmoren im eigenen Saft, aber interessierten, nichtanwesenden Menschen was zum weiterverteilen geben, kommt mir grade deswegen durchaus klug vor. Selber kann ich auch aus rein egoistischen Gründen dazu raten, denn es wirkt gelegentlich Wunder, wenn man irgendwann wieder verzweifelt ob der Gesamtsituation ist und dann mal einen Blick auf einen Bericht von vor nem halben Jahr werfen kann und wieder ein wenig Hoffnung aus der eisernen Reserve schöpft.

So, das war mir wichtig. Ich glaube, verbindendes Moment beider Aspekte ist auch Selbstwirksamkeit. Wir machen Camp. Wir machen die Öffentlichkeit. Das erste ist nichts, was „jemand“ für „jemand anderes“ organisiert, sondern wir. Für uns. Das zweite ist nichts, wofür wir die embedded journalists von SpOn und Konsorten brauchen (no offense, Patrick, du bist ein Guter). Wir machen sowas selber, himmel, wir wohnen im Internetz und können alles.

Folgendes wird eher optional, aber…

Mehr Pr0n.

TO TEH CHAOSEVENTZ!

TO TEH CHAOSEVENTZ!

Zwei Posts früher hab ich meine Verblüffung über nichtvorhandene FTP-Pornverzeichnisse oder gar dedizierte Server geäußert. Es ist mir auch vollkommen bewusst, dass es an sich ausreichend zugängliche einschlägige Medien gibt und der effektive Mehrwert einer Weiterverbreitung in Chaoskontexten tendenziell gering ausfallen dürfte. Mein „Mehr Pr0n!“ hat natürlich auch einen „um der alten Zeiten willen“-Touch (wobei das hier von heutigen Portalen schlicht plattgewalzt wird), ich erinner mich vage an einen Congress, wo einer der größeren Anbieter einen Server zum Testen abgestellt hatte und gesagt, macht mal Load drauf, ich erinnere an unumstößliche Wahrheiten der Kategorie „The Internet is for Porn“, und gelobe weiterhin, zum nächsten Event einen DVD-Rip der Gummimeiers mitzubringen. Aber eigentlich denke ich auch, dass in einer allerliebst diversen Nerdkultur auch allerliebst diverser Porn seine Nische haben kann und muss. Und seis, um die Schwarzer zu ärgern.

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2 Responses to CCCamp: was sollten wir in Zukunft besser können?

  1. blazr sagt:

    Ich hab deinen Post in Ruhe gelesen, nachdem ich meinen endlich fertig hatte (ich hab leider mehrere Tage dafuer gebraucht meinen zu verfassem, weil er auch einige Bilder enthalten sollte und ich vermutlich auch aus der Uebung bin beim bloggen).

    Ich finde es gut, das dir das Camp so gut gefiel. Es braucht diese Erfahrung bei genuegend Teilnehmern, damit das Ganze fortbestehen kann. Und ja, es gab sicher eine ganze Menge toller Dinge. Ich bin rueckblickend dankbar, dem village meine Zeit gegeben zu haben. Ich war eben nicht der, der dieses Mal „nur Teilnehmer“ sein wollte. Von daher darf ich mich auch nicht wundern, dass meine Erfahrung so dramatisch anders war als die anderer. Ist okay, manchmal bringt man halt freiwillig Opfer fuer die Gemeinschaft.

    Mein persoenliches Highlight war die Demonstration einer Laserharfe eines Abends im „Culture Club“ – siehe auch: https://events.ccc.de/camp/2023/hub/camp23/de/event/live-performance-eines-diy-instruments-die-laserharfe/
    Eine gute Demo davon kann man hier sehen: https://www.ralph-light.com/

    Da wurde sehr schoen LIVE am Beispiel demonstriert, wie die eigene Entwicklung des Instruments vonstatten ging. Und es ist mitnichten einfach eine Unterbrechung einer Lichtschranke die hier ein Instrument moeglich macht. Ich war verbluefft wie das Ding tatsaechlich funktioniert.

    Was mir auch sehr gefiel, war mal wieder das Team, das die Pizza am Marktplatz angeboten hat. Ich weiss nicht wie die das machen, aber das Team dieser Pizzabaecker da feiere ich hart. Die Pizza ist sehr lecker und die Art und Weise wie mit den Kunden umgegangen wird ist ebenfalls hervorragend!

    Nicht zu vergessen deren taegliche Tear-Down-Playliste die frueh morgends dann runtergespielt wurde. Da habe ich so schoene Musikstuecke erstmals gehoert wie z.B.:
    https://www.youtube.com/watch?v=lvl8s0M0C_0
    und
    https://www.youtube.com/watch?v=SxSLU2-ERpk
    um hier auch mal ein paar Ohrwurm-aehnliche samples zu teilen.

    Das mit der Gegenoeffentlichkeit kann ich nur unterstreichen. Ich hab den Eindruck diese Gegenoeffentlichkeit wird weniger und weniger (aus)getragen. Die Fragmentierung der Kommunikationswege hat ein weiteres globales Lagerfeuer („Twitter“) in eine brennende Muellhalde („X“) verwandelt.

    Wer nie mit Blogs angefangen hat, der fuehlt sich vermutlich jetzt auf Mastodon in seine Blase ganz okay. Leider gibt es dadurch keine Blogposts mehr sondern nur noch eine sehr, sehr eng begrenzte (Gegen)Oeffentlichkeit, denn man muss schon die „richtige“ Mastodon-Instanz kennen und aufsuchen, um diese Oeffentlichkeit zu finden.

    Joa… das mit dem Selbermachen scheint aus der Mode zu kommen. Dabei waere es ein wirklich verbindendes Element der Selbstwirksamkeit. Covid-19 hat das Engagement selbst im eigenen ERFA meiner Ansicht nach zu Boden gebracht. Die noetige Energie, um soziale Prozesse die zum Erliegen kamen wieder ans Laufen zu bekommen, scheint nicht mehr oder noch nicht vorhanden zu sein.

    Mir egal ich blogge trotzdem weiter und mache.

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