Die Erotikmesse als Gesellschaftsdiagnose

Ich verehre Netzpolitik ein wenig und hab ihnen auch einen Dauerauftrag eingerichtet, wenn ich mich jetzt über Vincent Försts Kolumne „Die neue Einsamkeit“ zu Messeeindrücken von IFA und Venus dezent echauffiere, geschieht das aus einer Perspektive der allgemeinen Wertschätzung (Netzpolitik) als auch der spezifischen (Vincent), denn die Beobachtungen des letzteren scheinen mir durchaus wert, etwas länglicher zu schreiben. That said.

Vincent, in a Nutshell: Sowohl IFA (Elektronik/Unterhaltung) als auch Venus (ErotikPorn) sind Messen, die je auf ihre Art Leute zusammenbringen sollen. Dank KI, Digitalisierung und Selbstoptimierung werden sie indessen Leitmessen der Vereinsamung. Von den bedeutsamen Aspekten des Tuns (hier via Thermomix, der per KI das Kochen entfremdet, dort durch die gepuderte und beheizte Realdoll, die statt einer echten Partnerin Selfies auf die Arbeit schickt) wird man abgeschnitten, anstatt dass der technische Fortschritt hier Zugänge schafft, erleichtert, whatever.

Und nun ist das ein so schönes und stimmiges Bild – ich geb gerne zu, daran wär ich auch nicht wortlos vorbeigegangen, hätte ich die beiden Events besucht. Aber so schade es ist, meiner Ansicht nach fällt das ziemlich in sich zusammen. Ich hoffe indessen, auf eine durchaus bereichernde und horizonterweiternde Weise. Also.

Es klingt trivial, scheint mir aber vorweg ein zentraler Punkt:

Eine Erotikmesse taugt nicht zur Konstruktion von Gesellschaftsdiagnosen.

Gott spielen. Vereinsamungssymbolik auf der SEX NOW

Gott spielen. Vereinsamungssymbolik auf der SEX NOW

Es macht zugegeben aber Spaß und man will direkt mitkonstruieren. Gehen wir also zehn Jahre zurück, 2015 gabs gleich zwei Awards für Mystim, bester Hersteller und beste E-Stim-Line. Beide Kategorien verschwanden in der folgenden Dekade, und nun frage ich mich, was sagt es über unsere Gesellschaft aus, dass Elektrosex nicht mehr gefragt ist? Innovativstes Toy 2015 war der Topco Sales Twerking Butt, schon damals konnte man den prämierten Plastehintern auf körperwarm vorheizen. Nochmal fünf Jahre zurück zur Venus 2010: es erschreckt mich geradezu, wie uninteraktiv die Awards 2010 waren, extremst filmlastig, zwei, hihi, „Magazine“ und durch die Bank halt „zu konsumierendes“. 2025 hingegen: Preise für die „Erotik-Influencerin“ sowie die „Erotik Influencer Agentur“ des Jahres, kommunikative Formate wie Onlyfans und Chaturbate weitere Gewinner usw.

Kurz: in zehn, fünfzehn Jahren wurden wir offenbar von einsamen Wichsern, die sich gelangweilt vor dem Bildschirm Elektroschocks verabreichen, zu kommunikativen, sexpositiven Akteuren, die Erotiktipps von echten Menschen anhören. Die sich in ihren Cam-Communities untereinander austauschen, statt einmal mehr die Ratgeberseiten der verklebten Magazine durchzublättern. Selbst die hartgesottensten Forever-Alone-Guys gingen vom beheizten Hintern zum beheizten Ganzkörpermodell über und sind so zumindest vorbereitet, wenn sie je irgendwann doch mal mit mehr als einem Arsch konfrontiert wären.

Kein Zweifel: Es geht voran! Weiterlesen

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Blogwochen: Wie privat darfs sein, und wie privat wär nötig?

Wird ne Konstante: irgendwas ploppt in den Blogwochen hoch und ich ärgere mich. Im konkreten Fall, weil ich irgendwann dachte, jupp, wenns soweit ist, zum Thema „Privates und Öffentliches – Welche Themen wir bewusst aus unseren Blogs heraushalten“ zu tickern, dann hol ich mal aus. Zack, Stresswochen, ging unter. Aber das Thema liegt mir als Klemmspack0 am Herzen, also, Privates, und ich fang mal mit einer starken provokanten These an:

Wer in den Blogwochen rumspaziert, wirkt auf mich in der Regel als mehrfachprivilegierter weißer deutscher alter Mann, und damit einher gehen Möglichkeiten, die andere nicht haben. Und wenn man piesacken will, dann hängt da sogar ein wenig Verantwortung dran.

YMMV und vorangeschickt, ich seh mich da im Guten wie im Schlechten nicht als das Maß aller Dinge. Persönlich erlebe ich relevanten gesellschaftlichen Impact oft bei erheblich privaten Themen, naturgemäß denen, über die man eben *nicht* spricht. Und ich fühle durchaus eine gewisse Verpflichtung, genau über diese öffentlich zu reden, wenn man das kann, denn die meisten könnens nicht.

Wenn ich mich über die Widrigkeiten beim Eingrenzen eines Hardwarefehlers in der Heim-IT echauffiere und mir Leute feedbacken, sowohl die Frustration als auch den abgrundtiefen Haß auf Nvidia nachfühlen zu können, ist das fein, spielt hingegen kosmisch betrachtet eine eher kleine Rolle.

Es klang schon bei den 15 Minuten Ruhm an: das spannende an Blog ist meiner Ansicht nach, dass man Möglichkeiten schafft, Bedeutsames entstehen zu lassen. Bedeutsam mag sein, wenn man „Denkprozesse anstößt“, wie Dirk sich das leider etwas unkonkret wünscht. Wenn der von mir ansonsten durchaus geschätzte Benedikt dann von Kauf- und Konsumentscheidungen auf Webstandards kommt, frag ich mich schon, ob das der Footprint ist, den man auf der Welt zurücklassen will. Usw.

Nicht von mir, aber ich begrüße ausdrücklich

Nicht von mir, aber ich begrüße ausdrücklich

Folgendes bitte nicht als ein „guckt her, was ich für ein geiler Typ bin“ verstehen, vielleicht bin ich einer, aber darum gehts mir nicht, sondern schlicht um möglichst anschauliche Beispiele, über die ich schreiben kann. Wenn mir wann auch immer rückgemeldet wurde, ich hätte wo ganz konkret und persönlich jemandem sehr geholfen, eine neue Perspektive geschaffen, whatever, dann gings um extremst private und sensible Themen. Vor auch schon bald zehn Jahren outete ich mich als trockener Süchtiger, letztes Jahr ergab sich draus, für ein anarchistisches Zine einen Artikel zum Thema Suchtselbsthilfe in anarchistischem Kontext zu schreiben. Feedback: alle Inputs fielen komplett anders als erwartet aus, gaben vielen Leuten Stoff zum Nachdenken und halfen einigen, die ersten notwendigen Schritte zu gehen. Weiterlesen

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Googles 100 Suchergebnisse: über Bande die KI sabotieren

Ich beobachte ja mit einer gewissen Mischung zwischen Faszination und Abscheu, wie die KI-Blase grade nicht nur sich selber, sondern alles mehr oder weniger vernetztes mit in die Spirale wachsender Beschissenheit zieht, und letzten Monat wars einmal mehr ein SEO-Thema, bei dem ich mich frage, wieder kaum wer, der/die da nen Elefanten im Raum adressiert? Es gab ne Zeit, in der Google per einfach angehangenem num=100 an die Suchergebnis-URL statt der üblichen 10 deren 100 URLs bei der Suche auswarf. Das wurde nun eher abrupt abgedreht, und man kann sich fragen, warum (wegen KI-Scrapern) und was man dafür inzwischen im Hause G. in Kauf zu nehmen bereit ist (alle sind sauer).

Normale Menschen werden eher selten ein „num=100“ an die Such-Url anhängen, es klickt ja schon keiner mehr auf Platz drei, von Seite zwei ganz zu schweigen. Nun nutzen aber eine ganze Latte Tools die Hunderter-SERP-Ansicht, weil sie da eben direkt mit einem Abruf die ersten zehn Seiten Google-Suchergebnisse für Keyword-Anfrage X auswerten können. Wenn Sistrix da ein paar Millionen Suchanfragen in x Ländern mehr oder weniger tagesaktuell misst, kommt ganz schön was zusammen. Dasselbe machen Searchmetrics, Semrush und noch ein paar Anbieter, man kann sie sich indessen einigermaßen abzählen. Vor allem machen sie es bereits seit Ewigkeiten, ein Problem wars wohl nie so recht, vor allem sind die Nutzer genau die Akteure, die über andere Kanäle (Google Ads) sehr viel Geld bei Google liegen lassen. Konkret: die nach wie vor den Löwenanteil von Googles Umsatz reißen.

Die kann man sauer machen, weil sie von heute auf morgen keine vernünftigen Daten mehr kriegen. OK, die Toolanbieter reagieren, faktisch müssen sie nun eben Faktor 10 mehr Queries absetzen und parsen, um dieselbe Datenquali zu liefern, und wenn man ab Seite 2 nur noch jeden zweiten Tag aktualisiert, wirds den Kunden auch nicht wirklich wehtun, aber nun. Kostet Geld und Compute.

Witzig wirds, wenn Google sich die eigenen Statistiken zerschießt. Wer für die eigene Seite eine Search Console eingerichtet hat, wird eine wundersame Verbesserung der eigenen Durchschnittsplatzierungen beobachten können.

Geilste Rankingverbesserung! … ach halt, Messartefakt.

Plötzlich alles im Schnitt eine halbe Seite weiter oben? Mitnichten. Es fehlen einfach X Datenpunkte auf hinteren Seiten. Alle? nein, ich hab immer noch Rankings bis 99. Jüngere Daten haben nichts dreistelliges mehr. Auf mich wirken aktuelle Daten, als ob G. intern auf 100 und extern auf 10 Ergebnisse pro query gegangen wäre, so ganz überzeugt bin ich noch nicht, weil dafür ist der Aufstieg über die Latte Seiten, die ich von hinten sehe, zu kräftig. Whatever. Durchschnittsrankings sind eh ein schmales Brett.

Was das wirklich witzige dabei ist: das ist Step 1 in Sachen „KI-Anbieter versuchen sich gegenseitig, die Qualität zu zerschießen“. Ich linke ungern auf SEO Südwest, weil man dort eher selten über die eigene Tischkante rausdenktbloggt, aber to prove a point: Dort stellt man fest, dass die Citations in ChatGPTs KI-Antworten um, hihi, 90% abnehmen, möglicherweise Kosten gespart werden sollen und das eventuell zufällig zusammenfällt mit Googles Abdrehen seiner SERP-Pipeline. Himmel, natürlich hängts da dran und natürlich hat Google keinen Bock drauf, dass die ChatGPT-Antworten auf massig ergooglete Quellen zurückgreifen können, um nachträglich zu prüfen, ob ihr generierter Slop vollkommener Schwachsinn ist oder ob sich doch vielleicht Links finden lassen, die wie eine passende Quelle aussehen könnten.* Kurz: Google will, dass ChatGPT schlechter wird, und deswegen drehen sie ein Feature ab, das ihren zahlenden Kunden jahrelang gute Dienste geleistet hat, weil fuck you. Weiterlesen

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SEOpott hilft beim Denken

Seriöser Arbeitskater hilft beim SEOpott-bloggen

Seriöser Arbeitskater hilft beim SEOpott-bloggen

Gestern war SEOpott, ich hab dort leider nur zwei langweilige Bilder von interessanten Folien gemacht, deswegen hier ein Foto vom seriösen Arbeitskater. Im Hintergrund: seopott.de, dort kann man mehr nachgucken. Orga hat Sercan losgetreten und ich bin ein wenig neidisch auf ihn, weil er sowas kann und ich nicht. Ich ahne weiterhin, dass es nicht ganz zufällig ist, wenn mich Format/Anspruch ein wenig an den SEO-Stammtisch Ruhrgebiet erinnern, zwei Impulsvorträge und rundrum frisch aus dem Nähkästchen plaudern, man kennt sich zu einem guten Teil bereits, das ist alles ganz hervorragend und ich freu mich drüber.

Die Impulse waren gestern beide von Eyüp, was aber auch vollkommen in Ordnung ging – Teil eins über GSC-Analyse im Fall von vielen (für große Werte von „vielen“) URLs plus die geeigneten Mittel (janun, BigQuery) und Fragestellungen/Ziele (vorher überlegen). Teil zwei dann sehr Hands-on mit den Daten, mit denen er konkret arbeitet. Und nun kennt man es in der SEO-Ecke, dass grade auf kleineren Veranstaltungen erfreulich locker über konkrete Doings und auch diverse Patzer gesprochen wird, die passieren können. Aber hey, das war wirklich entspannt im oberen Drittel der Liga. Eine lustige Deindex-Geschichte, wenn man sie nicht grade selber verhauen hat, und dazu eine Latte kluger Gedanken, wie man verbreitetes, abseitigeres Nutzerverhalten als Muster in der Fläche erkennt. Cleveres, nutzerfreundliches Arbeiten, und das auf der Basis siebenstelliger URLS mit jeweils einer Handvoll Impressions und Klicks, ich war beeindruckt und hab was gelernt. Weiterlesen

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SEX NOW Ausstellung in Düsseldorf

Ausstellungseingang. ich mag das Graffiti.

Ausstellungseingang. ich mag das Graffiti.

SEX NOW ist eine Ausstellung im NRW Forum Düsseldorf und der Name ist Programm: eine sexpositive Ausstellung zu all things sex. Wir hörten im Radio davon, dazu der Hinweis, sie sei ab 18, und dann war schnell ein „müssen wir hin“ entschieden. Es hat mir gut gefallen, ich hab einiges erfahren und einiges zum drüber Nachdenken mitgenommen, hätte mir aber im Nachhinein irgendwie „mehr von allem“ gewünscht, in komplett unterschiedlichen Ausprägungen. Im Detail mehr dazu.

Grundsätzlich: eine sehr ansprechend und charmant eingerichtete Veranstaltung, trotz (wegen?) des Themas überhaupt nicht irgendwie halbseiden oder sensationsgeil, und sehr gut begleitet/kuratiert. Es gibt einen begleitenden Online-Digital Guide, der lobenswerterweise nicht in irgend eine Museumsapp reinkastriert wurde, sondern ganz frei im Internet anzuklicken ist (Klickempfehlung).

Onlineguide, auch anschließend nutzbar

Onlineguide, auch anschließend nutzbar

Guide, literarische Kuschelecken der Ausstellung

Guide zu literarischen Kuschelecken

Guide, Things good to know

Guide, Things to know

So war das damals. NIE WIEDER!

So war das damals. NIE WIEDER!

Was gibts zu sehen? Einmal natürlich historisches: einige Ausstellungsstücke aus sehr früher bis neuzeitlicher Geschichte der gesellschaftlichen Abbildung von Sexualitäten. Ein großes Pottpurri von Sexualorganen in unterschiedlichster Darstellungsform und Ausprägung. Einige Ausschnitte unterschiedlicher Szenen und Kinks, hervorzuheben eine charmante kleine BDSM-Ecke und eine Tom of Finland-Ausstellung. Einiges Anschauungsmaterial zu Cybersex und VR. Mehrere teils erheblichst explizite Videoinstallationen. Diverseste Sextoys und die Entwicklung derselben. Künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema, von Performance-Art bis Fotografie und Skulptur. Außerdem ein Me Too-Teilbereich, der einerseits auch spannend war und unter anderem Foto- und Videokunst einer indischen Künstlerin zeigte, die nochmal eine ganz andere Perspektive schuf als die, die „wir“ so kennen.

Im Nachhinein: Viel Raum für ein einerseits hochproblematisches Thema in einer ansonsten explizit sexpositiven Ausstellung. Weiter auch einige weitere Exponate, die sich explizit mit den Abgründen insbesondere online auseinandersetzen. Erst wollte ich statt „Abgründen“ „Arschlöchern“ schreiben, aber die gabs auch, im Wortsinn und durchaus positiv konnotiert. Hier angemerkt ohne jegliche Wertung, es fiel mir im Nachhinein auf, am ehesten würde ich sagen, ich finds gut, richtig und traurig, dass es dafür Platz geben muss.

Peaches macht nicht nur Platten, sondern auch Skulpturen

Peaches macht nicht nur Platten, sondern auch Skulpturen

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Antrophic in die Pleite klagen – wer macht mit?

Die komplette KI-Industrie könnte finanziell ruiniert werden, wenn alle Betroffenen sich einer Sammelklage gegen Antrophic anschließen würden, heißt es nebenan, und mein Reflex ist ein „Don’t threaten me with a good time“. Ich hab grade meinen Input zu einer Klage gegen Antrophic gegeben, und es scheint, als können das alle, deren Werke zum Zeitpunkt X auf Libgen lagen. Drin bevor „Naja, US-Sammelklagen…“ es ist der Versuch, der zählt, und wer weiß, was kommt. Update: Ich bin leider nicht in der „Works List“ vertreten, die das Verfahren umfasst, Details am Ende, schade, aber machte Freude. /Update

Jedenfalls, Antrophic trainierte Claude mit einem Satz Publikationen, die sie von der lobenswerten Schattenbibliothek Libgen runtergeladen hatten. Nun mag ich eBookwarez und insbesondere Verbreiter kostenfreier wissenschaftlicher Fachliteratur a la Annas Archive wie jeder vernünftige Mensch auch, wer dort auftaucht, ist eine coole Socke, dessen Werke nach Ansicht mancher Leute von allen gelesen werden können sollten. Antrophic hingegen ist offenkundig eine kriminelle Bande hirnloser Irrer, die selbige Werke nehmen, damit eine planetenverbrennende Gelddruckmaschine befeuern und die geklauten Inhalte nach Möglichkeit soweit zum Schlechteren verwursten, bis sie keine Quellenangaben mehr dranschreiben müssen.

Man kopiert mich raub, yeah!

Man kopiert mich raub, yeah!

Was soll man tun, wenn sie warnen, in die Pleite geklagt zu werden? Logisch, sich der Klage anschließen. Das geht, wenn eigene Werke in den besagten Libgen-Trainingsdaten vorhanden sind, und prüfen kann man das beim Atlantic. Weiterlesen

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Arbeitsrechner fixen, Murphys Law-Edition

Ich kann nicht genau sagen, wie alt mein Rechner ist. Zu Unizeiten in den späten 90ern kaufte ich mir meinen ersten Bigtower und baute was rein, was Windows95 konnte, ich erinnere mich an Turtle-Beach-Soundkarten, überteuerte SCSI-Adapter von Adaptec und ISA-ISDN-Karten, die man erst installieren, dann jumpern und dann einbauen musste, aber ich schweife ab. Seitdem kam mal neues Mainboard/CPU, mal ne neue Platte, mal ein neues Netzteil, GraKa, Peripheriefluktuation, wie mans kennt, jedenfalls, die Kiste ist seitdem ein Paradebeispiel der Mach’schen Illusion der beständigen Substanz.

Verflucht sei NVidia! Mögen sie auf ewig in der Hölle brennen!

Verflucht sei NVidia! Mögen sie auf ewig in der Hölle brennen!

Linux und NVidia-Treiber, ich ahne Leute, die jetzt bereits schreiend wegrennen, ich hab mein Maß an Zickigkeit des widerständigen Geräts abbekommen, aber an sich hats nach gutem Zureden immer gut funktioniert. Jedenfalls wollte die Monitorerkennung und die Auflösung eines Abends nicht wie ich, und der erste Reflex ist halt „hm, neue Treiber?“ Ich hatte 570, die Teuerste zockt nebenan grade Baldurs Gate 3 auf Kubuntu und 575, ok, bügeln wir 575 drüber. Funktioniert nicht. 570 wieder? dito. Nouveau, nur zum checken? Nur ein Monitor läuft statt 2. Die Linux .run 580 beta von nvidia? Na, komm, der Versuch ists wert. Ich lernte, wie man rückstandsfrei NVidia-Treiber von System kriegt, das Problem bestand indessen weiter und wechselte nur die Ausprägungen (halb hochkommende Kiste, halber Monitor eingefroren etc.) Stellt euch zwei solche Abende vor, und wie währenddessen mein Hass auf NVidia wuchs und gedieh, zu jener unaussprechlichen, blasphemischen Monstrosität, die heute mein Herz und meine Gedanken mit gifttriefenden Tentakeln umschließt und beherrscht.

Jedoch, ein zartes grünes Pflänzlein der Hoffnung sprach, flüsternd anfangs „Radeon? Warum nicht einfach in Zukunft und für alle Zeiten Radeon?“, und bald wurde daraus der Kampfruf „Weg mit dem NVidia-Dreck! Weg mit der widerlichen Hardware dieser verkommenen Klitsche, die sich an den Geldbörsen der KI-Apologeten fett frisst! Verflucht und verdammt auf ewig ihre proprietäre Treiberscheiße und ihre CUDA-Technologie, möge sie nie wieder meine Infrastruktur mit ihrer verderbten Präsenz verunreinigen! In keinem PCIe-Slot sei sie je wieder willkommen, und verflucht soll sie sein und alle ihre Folgegenerationen!

So rief ich nicht, aber dachte sinngemäß. Der Paketdienst meines Vertrauens brachte etwas später als erwartet die erhoffte Erlösung, die war jedoch keine, sondern eine Wiederholung des bekannten Fehlerbilds. Bzw., leicht variierten Fehlerbildern, nur halt mit amdgpu. Und nun machte ich was, was ich eigentlich schon früher hätte machen sollen, aber der heilige Zorn auf NVidia wird meinen Geist ein wenig getrübt haben: ich erstellte mir einen Bootstick und fuhr die Kiste mal von selbigem hoch. Schrägerweise kriegte ich nur einen Recovery Mode zum laufen, den aber tatsächlich mit beiden Bildschirmen. Ansonsten kein Display, Freeze beim Booten, halbe Bildschirme (und Freeze), usw. Immerhin: man kann Laufwerke und RAM testen. Alles tadellos.

Irgendwas ist kaputt.

Irgendwas ist kaputt.

Hm, Mainboard? Ich machte extrem hoffnungsfroh ein BIOS-Update. Brachte gar nichts. Hm, womöglich trotzdem Mainboard? Ein weiterer Testlauf mit einer rumliegenden ausrangierten NVidia (argh!), die immer gelaufen war, änderte das Fehlerbild auch nicht. OK, Mainboard. Eines der älteren Komponenten, die Kiste ist ein Arbeitspferd und ich habe angesichts absolvierter Laufzeiten Verständnis für jeden vertrockneten Kondensator, wenn ich ehrlich bin.

Jedenfalls orderte ich ein Mainboard. B-Ware, weil günstiger (und weil nur das Slotblech fehlte), AM4 weil AM4-Prozessor vorhanden, der mir vollkommen reicht. Außerdem: solide Technik, von der ich weiß, sie rennt mit dem Rest des Krams, der rumsteht. Er kam Freitags an, und nach Feierabend machte ich mich ans Zusammenbauen. Weiterlesen

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Why2025, Tag 4 ff., CISOs, Pr0n, Mond und Selbsterkenntnis

Sowas muss man doch herzeigen!

Sowas muss man doch herzeigen!

Die letzten Tage sind angebrochen und nach dem Blog hier werden wir wohl abbauen, WHY2025 war mir bislang ein Fest, 10/10 gerne wieder. Der Tag begann mit einer Unterhaltung mit unseren angenehmen Nachbarn aus Manhattan, wie sich das Interesse an ihren LED-Kunstwerken entwickele. Ja nun, sie seien noch am Bugfixen. Ich halte mich für einen normal introvertierten Nerd, im Nachhinein komme ich mir ein wenig eskalierend vor, aber ich hielt einen Kurzvortrag zu SEO-Basics der Art „es gibt Seiten, die zu Begriffen deswegen nicht gefunden werden, weil die Begriffe schlicht nicht vorkommen“ und man vergesse solche Basics leicht, wenn man zwei Schritte weiter am Denken sei, aber sie müssten
a) ihr Zelt aufmachen und
b) ihren Kram irgendwo hinstellen, wo man ihn sieht.

Gesagt, getan, wir wurden aktiv, ein vorbeikommender Nachbar wurde direkt neugierig, wir erklärten ihm die stattfindende Zeltöffnung und er brachte spontan einen Labelprinter vorbei, weil natürlich hat irgendwer nebenan einen Labelprinter dabei. Als alles gut aussah, machte ich mich auf zum CISO-Trollen, denn auch ich kriege manchmal dienstlich Phishing-Testmails und wenn Bugblue himself da zum Trollen rät, muss ich mir das ansehen.

Troll your CISO for Fun and Profit

Troll your CISO for Fun and Profit

Warum soll man CISO-Phishingkram trollen? Und wie behält man seinen Job dabei? waren die Fragestellungen und die starke These dahinter, dass Phishing-Simulationen ethisch und lerntechnisch scheiße seien. Tenor des Vortrags: machts clever und humorvoll und fragt im Zweifel vorher. Aber dann könne man durchaus über Outlook-Regeln anhand vergangener Phishingmails mal schauen, was die Kennzeichen sind (Dienstleister, Routing, whatever) und darauf nen Autoreply mit revengephishing-Inhalt oder einfach einem „Nice try“-Gruß schicken. Mit gophish gebe es eh auch ein open source-phishing Framework, man solle nur dabei bedenken, dass es grundsätzlich extrem einfach ist, Kollegen zu phishen – schlicht, weil man interne Prozesse kennt und passend Anfragen, Infos, whatever versenden kann.

Ich verpasste den Flammenwerferbau-Wokshop.

Ich verpasste den Flammenwerferbau-Wokshop.

The Internet is for Corn

The Internet is for Corn

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Why2025, Tage 2-4, nochmal KI und viel Bastelei

WHY2025, Studio Ghibli Edition

WHY2025, Studio Ghibli Edition

Das Camp ist weiterhin wunderschön und der Trend zum „bring deine eigene Nebelmaschine mit“ scheint nicht nur bei mir angekommen zu sein. Nachts ist eh vieles Silent Hill, aber mir scheint, zusammen mit dem örtlichen Mikroklima und vielen dezentralen Cloud Providern scheint hier was ganztägig bezauberndes zu entstehen.

Nachtstimmung auf der WHY2025

Nachtstimmung auf der WHY2025

Außerdem: Bondage-Workshops.

Außerdem: Bondage-Workshops.

Whatever, ich war trotzdem in noch nem KI-Talk, und die sinngemäße Zusammenfassung hatte es in sich: es sei „wie damals bei der Dotcom-Bubble: alle hauen vor allem raus, hauptsache Produkt, und ob bzw. welche Sicherheitsimplikationen das hat, können sich dann irgendwann die anschauen, die übrigblieben“.

Wasserspritzpistolenroboter.

Wasserspritzpistolenroboter.

Ein Spiel in einem Spiel.

Ein Spiel in einem Spiel.

Datenklo von innen. ITS A SERIES OF TUBES!

Datenklo von innen. ITS A SERIES OF TUBES!

Sie zerlegten von Copilot bis Gemini an sich alles komplett, Eskalationsspirale „Wir hacken deine AI“ – „wir hacken deinen Rechner“ – „Wir hacken dich, genau dich als Mensch“.

Hintergründe: Alle Systeme haben sowas wie „Leitplanken“ (prinzipiell unsicher) und Barrieren (prinzipiell sicher). Letztere betreffen beispielsweise „vertrauenswürdigen Input“. Die KI misstraut natürlich allem, was der User ihr sagt. Sie misstraut auch allem, was sie generiert. Sie traut indessen dem Input eigener Tools. Talk war einigermaßen flott durchgehauen, daher tendenziell grob die Ideen: Tools und Module (bei Copilot z.B. Agenten) werden genutzt, um dem eigentlichen GPT Befehle unterzuschieben.

Lichtinstallation auf dern WHY2025

Lichtinstallation auf dern WHY2025

Die Methoden sind teils allerliebstes Blackhat-SEO der Nullerjahre: man schickt Leuten „weaponized Docs“, die eine Latte Anweisungen an die AI in 2pt weißer Schrift auf weißem Grund enthalten, die die KI natürlich liest. Bzw. im Fall von Gemini gibt man ein Googledoc einfach nur für einen Nutzer frei, der muss je nach Setup gar nichts machen, weil möglichereise eh alles im eigenen Zugriffsbereich von der KI analysiert wird, es könnte ja wer ne Zusammenfassung wollen oder ein „Finde alle Docs zum Thema Bla“ gefragt werden. Funktionen wie „Summarize Meeting“ etc. sind inzwischen Standard und die kann man ausnutzen. Weiterlesen

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Why2025, Tage 0-2: Hackthehealth, KI und Kleinkram

Home sweet home, WHY2025

Home sweet home, WHY2025

So, schon wieder ein paar Tage rum, wir sind gut auf der WHY2025 angekommen und es ist alles wieder sehr schön. Hauptsache ist, das Wachschwein dampft, und ich ahne, dass wir zur Not noch ein wenig Nebelmaschinenliquid geliehen bekommen, nachdem unseres nicht mehr rechtzeitig ankam.

Aber ich fang direkt mal mit HacktheHealth an, weil ich grade von dort komme und die Eindrücke frisch sind. Vor vier Jahren gabs das Village bereits, und dieses mal hab ich mich auch tatsächlich mal ein wenig länger mit zwei Leuten dort unterhalten. TL:DR: Es ist alles irgendwie schwierig und ich bin ratlos.

Hack the Health-Village, WHY2025

Hack the Health-Village, WHY2025

Die Leute dort sind wohl von einer niederländischen unabhängigen Einrichtung, die von allen herangezogen werden kann, um Security in Gesundheitseinrichtungen zu verbessern. Das war in der Vergangenheit viel Pentesting und Basis-Security insbesondere in Kliniken und Krankenhäusern, Airgapping kritischer Bereiche etc. Seit einigen Jahren ist ein ziemlich kräftiger „to teh cloud!“-Trend zu beobachten, wo sie auch beraten, und selbstredend seit neuerem der analoge „to teh AI!“, beides mit den naheliegenden Fragen Who owns the data? who controls the data?, und Leuten, die auf ehrliche Antworten diesbezüglich nicht immer scharf sind.

Das Problem ist hier dasselbe wie in DE: der „Double Age Gap“ des Gesundheitssystems. Das heißt, dass Leute älter und häufiger krank werden, auf der anderen Seite angesichts geburtenschwacher Jahrgänge der Nachwuchs in der Branche ausbleibt und der wachsenden Klientel weniger Beschäftigte entgegenstehen.

Eine PDP11. Wer die kennt, ist Teil des Double Age Gap.

Eine PDP11. Wer die kennt, ist Teil des Double Age Gap.

Die Serendiep: Hackerspace on a Ship.

Die Serendiep: Hackerspace on a Ship.

Dadurch gibts ein großes Interesse dran, alles, was automatisierend, effizienzsteigernd, was auch immer zu sein verspricht, nach Möglichkeit direct to production zu bringen. Darunter natürlich Cloudlösungen, klassische On Premise-KI (lokal trainierte Diagnosehilfen/ML-Systeme), aber auch externes, llm-basiertes usw. Und naturgemäß ist das zu einem relevanten Anteil einerseits securitytechnisch fragwürdig und andererseits problematisch zu pflegen.

Aber das Wachwildschwein wacht über alles. Wir sind sicher.

Aber das Wachwildschwein wacht über alles. Wir sind sicher.

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