Interview mit mir selber, Fortsetzung und nen Stock…

…muss ich zum Schluss verbraten. Rein aus Protest. Jedenfalls, wie vor einiger Zeit schon bemerkt, hatte ich vor ca. sieben Jahren mal versucht, die gulli-Administration zu interviewen, und die faulen Säcke beantworteten meine Fragen natürlich nicht, stattdessen wurde mir irgendwann die Politikmoderation angetragen und… nun ja, den Rest kennt ihr ja.
Wie auch schon gesagt: die Fragen waren auch schlecht gestellt.
Nu, weiter im Text, aber vorher eine völlig kontextlose Anmerkung: Die „Temple of the Dog“ ist ein richtig großartiges Album. Hatte ich während meiner CD-Ripperei irgendwie vergessen, ich kanns mir nicht erklären, warum, heute nachgeholt und ich bin grade ein wenig glücklich.

– Wie legitimiert sich jemand, der hackt, der illegale Inhalte zur Verfuegung stellt, der versucht, herrschende Verhaeltnisse von (geistigem wie physischem) Eigentum, Kontrolle, der Angemessenheit politischer Ueberzeugungen im Netz aufzuheben? Welche Chancen und welche Zukunft haben solche Aktionen?

Gute Frage, die wohl alle, dies betrifft, anders beantworten werden. Ich denke, es gibt eine Reihe typischer Erklärungsmuster.

– Was technisch möglich ist, wird auch praktisch gemacht werden. Solche Aktionen bilden Realitäten und Möglichkeitsräume ab. Ohne diese kann auch eine gesellschaftliche Reaktion stattfinden, im Guten wie im Schlechten. Wenn Spam verschickt werden kann, wirds wer tun. Wenn ne Sicherheitslücke existiert, wird sie ausgenutzt. Wenn ne DVD gerippt werden kann, wird sie wer rippen usw. usf. Ergo, why not?
– Grade im Releaserbereich ist oft vom Sportsgeist die Rede: Wettbewerb mit den anderen Crews, erster sein, no risk no fun usw. – Ähnliches wird durchaus auch von virii-Autoren und ihren „Gegnern“ berichtet. Vom Kopierschutzknacken will ich gar nicht erst anfangen. In Bezug auf Releaser gibts ja auch zwei Interviews grade zu dem Thema.
– Dass alles im Immateriellen stattfindet, ändert die Perspektive. Eine Kopie vernichtet/klaut kein Original, das ist nach wie vor da. Auf ne defacete Seite spielst ein Backup auf und gut – siehe z.B. mein Text zu Nazi-Defacements.
– Vieles hat mit Erweiterung der Handlungsspielräume zu tun, der Aufhebung künstlicher Restriktionen. DRM/Kopierschutz wird da das beste Beispiel sein.

Das auf einer eher technischen Ebene. Bisher reden wir ja nur davon, dass technische Restriktionen a) aufgebaut und b) eben auch wieder dekonstruiert werden. Man „tut, was man kann“, im Sinne von „Es ist möglich, also tun wirs“.

Auf der sozialen Ebene sind die Muster natürlich andere. Ich werf einfach mal das Stichwort“ Ziviler Ungehorsam“, der im Netz ja ganz andere Handlungsspielräume hat. Eigentums- und Kontrollregimes existieren online wie offline, die Möglichkeiten des Widerstands sind aber unterschiedliche. ich kann schlecht Öffentlichkeit schaffen, wenn ich nachts „Schäuble roll back!“ an alle Häuserwände sprühe. Im Netz hab ich die Möglichkeit, mich in entsprechende Debatten einzuklinken, selber zu Aktionen aufzurufen, das womöglich sogar anonym zu tun, wenn ich dazu Mittel wähle, die rechtlich kritisch sind – die Möglichkeiten sind da, und natürlich werden sie ausgelotet, ich seh das als ein ganz normales, nein, ein wünschenswertes Ausdrücken der politischen und sozialen Partizipation.

Bzw. des Widerstands. Um Ulrike Meinhof zu zitieren: „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht.“ Dieses „dafür sorgen können“ hat im Netz sein eigenes, spezifisches Potential, welches eben unterschiedlich weit ausgelotet wird.

Zukunft, Chancen? Aber sicher ist beides vorhanden. Plus weiteres Potential, denn die Relevanz des Internet, die Dezentralisierung der Informationsschaffung ist noch längst nicht am Ende. Und da sind zwei Faktoren: einerseits die netzkompetenten Leute, die sich wahrnehmbar im netz äußern und denen man keinen Maulkorb mehr verpassen kann, mehr und mehr öffentlicher Diskurs, der sichtbar wird, größere Reichweite hat wie Flyerverteilen oder alternatives Radio oder was da der Vor-Netzmedien mehr waren und so weiter. Zu guter Letzt ist Technik zwar menschengemacht und hat keine „Eigenlogik“, aber erst mal vorhanden, schafft sie Fakten. Sagen wir, Rahmenbedingungen, Substrate, die nur sehr schwer wieder zu durchbrechen sind, die jedoch aber Möglichkeiten bereitstellen, wenn man sich ihr zu bedienen weiß. Wie Johnny schreibt: „Das Internet geht auch dann nicht nicht weg, wenn man sich ganz doll die Augen zuhält.“

– Inwieweit sind Machtstrukturen und -ausuebungen im Netz (auch und grade fuer dich) „real“? Im Sinne von tatsaechlicher Beeintraechtigung des Lebens? (Beispiel jetzt z.B. das Sperren der „radikal“ durch Compuserve war natuerlich ein Akt der „Macht“, aber gleichermassen natuerlich ein „hilfloser“, weil zwar eine Massnahme durchgesetzt werden konnte, das Ziel jedoch nicht realisiert werden konnte.)

Man muss naturlich nachdenken, was man in welchem Kontext öffentlich schreibt und tut. Einen Radikal-Mirror hätt ich damals auch nur auf Free-Webspace hochgezogen und nicht grade auf eigener .de-Domain oder im Shared von eMule. Ich mach mir natürlich immer gedanken, was kannst du in den News schreiben, was kannst du im Blog schreiebn, ohne dass du dir oder anderen Ärger machst. Das sind ganz konkrete Sachen, die konkrete (und in gewissem Rahmen auch voraussehbare) Folgen haben können.
Diffuser wirds bei der Netznutzung. Da fragt man sich natürlich häufig, inwieweit da andere genauso ticken, wie man selber: „Ich verkneif mir Statements x und y, was hat der sich da in dem Text wohl verkniffen, aber eigentlich sagen wollen?“ Was ich gerne in Kontext Zensur anführe: Das Internet hat das Potential, Gesellschaft so abzubilden, wie sie tatsächlich aussieht. Zensur in jeder Form führt nicht nur zu einer im Sinn mancher Interessensgruppen beeinflusster „öffentlicher Meinung“, sondern auch zu einer „Schönung“ – wir kriegen vieles nicht zu sehen, obwohl es da ist. Die Welt wird ein wenig rosa eingefärbt, und alles ist gut.
Noch diffuser natürlich durch das bereits angesprochene panoptische Prinzip: was von dem, was ich mache, wird wo überwacht, gespeichert, gesammelt, und mit welchem Motiv? Wer will mich für welche Zwecke „profilen“, falle ich mit dem und jenem in irgend ein Raster von Verfassungsschutz, BKA, egal? Mit welchen Folgen – was würde dann womöglich auch überwacht? Siehe Andrej Holm, beispielsweise. Man verhält sich in einer (vermuteten) Überwachungsgesellschaft natürlich permanent anders als man es sonst würde.

– Wie wird durch diese Macht die Freiheit der Individuen beeinflusst, beschnitten, erweitert? Ich denke zum einen ans Recht auf Privatsphaere (wird abgeschafft oder von hoher technischer Kompetenz oder Netzabstinenz abhaengig), an Dinge wie die „Pflicht zur privaten Fortbildung“, die mit dem Netz durchsetzbar wird, zum anderen an der (hoffentlich) bevorstehenden Revolution des geistigen Eigentums (faellt mir die Human-Genom-Geschichte ein, wo alle hoffen, dass es sowas wie PD wird…)

Hatten wir ja schon zu weiten Teilen. Klar, der Aspekt der Zurichtung des Individuums auf möglichst effiziente Verwertung kommt dazu. Das kann man imo zusammenfassen zu einem trivialen „Jede Interessensgruppe will das Netz für ihre Zwecke nutzen“ – ein engagierter, kritischer Bürger, um frei kommunizieren und sich informieren zu können. Ein neoliberales Arschloch, um den Menschen die Pflicht zur Selbstzurichtung auf seine Verwertungsinteressen aufzudrücken und Kritik in der Netzöffentlichkeit nach Möglichkeit nicht zuzulassen oder zu disziplinieren. Ein Konzern zur Maximierung der Verwertung „geistigen Eigentums“ mit so wenig Teilhabe für andere als eben möglich usw. Da kloppen wir uns aber alle noch, und das wird auch weiterhin passieren. Und dafür haben wir, hihi, natürlich auch die Pflicht zum Selberlernen, denn die technischen Knüppel, mit denen da gedroschen wird, sollten nicht nur die anderen in der Hand haben. Da bin ich aber recht guter Dinge grade, was aber auch am bevorstehenden 24c3 liegen mag.

Ich lass es mal dabei für die Runde und komm zum angedrohten Stöckchen.

1. Äußere 3 materielle Weihnachtswünsche:

Stricksocken, einen Plüschstollentroll und ein Smartphone, das smarter ist als ich, das ich aber dennoch kontrollieren kann.

2. Benenne 3 Menschen, mit denen Du gerne Weihnachten feiern möchtest:

Es liegt in der Natur der Sache, dass die alle tot sind.

3. Benenne 3 Menschen, die von Dir ein Weihnachtsgeschenk bekommen werden:

Neffe 1, Neffe 2 und Nichte.


4. Benenne 3 Menschen, die dieses Weihnachtsstöckchen von Dir bekommen:

Ich werd mich hueten :)

Kategorie: das richtige leben im falschen, mac hell 2: net. permalink.

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