tl,dr: wer Sertralin einnimmt, darf Blutspenden.
Folgendes wird entgegen dem Titel eine eher heitere Betrachtung über Depression, Privilegien, Postprivacy und nicht zuletzt einen feinen Arbeitgeber. Der im übrigen schuld daran ist, dass alle Welt weiß, dass ich Depressionen habe, aber ich greife vor. Außerdem: Blutspendeinfos!
Ich spar mir langatmige Vorgeschichten zu Diagnosen etc., deutlich über 20 Jahre her, damals VT und Medis, letztere irgendwann einmal umgestellt (Medis umstellen ist furchtbar) und nun aber auch schon wieder gefühlte Ewigkeiten mit SSRIs (Sertralin) zufrieden mit der Psyche. Kein Interesse mehr an Ausschleichversuchen, been there, done that, got the T-Shirt, und warum auch. Wie es ist, ists gut und so kanns gerne bleiben.
Nebenwirkung indessen: der Gang zur Blutbank fiel weg. Was damals ein wenig schmerzhaft war, da das zweimonatige Blutspenden zu Unizeiten immer der Fuffi außer der Reihe war, mit dem man CDs kaufen ging. Unter SSRI war Sense damit, Blutbank says no. Es war zu verkraften, aber mit der Zeit störte es immer mal wieder, angesichts einschlägiger Aufrufe wegen knapper Blutreserven. Und zugegeben: man ist auch ein Stück weit bequem. Alle Jubeljahre der Gedanke, mal recherchieren, wo man vielleicht Plasma, Blutplättchen, whatever beisteuern könnte, wenns mit dem Vollblut nicht geht. Gedanke kommt, Gedanke geht wieder, nichts passiert.
Nun hab ich ja jobtechnisch seit einiger Zeit ein eher spezifisches Verhältnis zu Blut, und wenn man bei einem Verbandmittelhersteller wie Dr. Ausbüttel arbeitet, war es nicht ganz überraschend, dass irgendwann auch mal ein Blutspendemobil vom DRK organisiert wurde, das bei uns und der Nachbarfirma eine Spendenaktion gemacht hat. Und wenn ich schon nicht darf: dann zumindest mal hingehen und fragen, was ich wo vielleicht alternativ machen könnte, sollte ja eben noch drinliegen.
Der große Tag war gekommen, Ruppsel stiefelt zum Blutspendebus und sagt sein Sprüchlein: von der Blutbank Tübingen verstoßen wegen SSRI, seitdem auf gelegentlicher Suche nach alternativer Unterstüzung des Kampfs gegen knappe Blutreserven. Was ich da wo machen könne. Stirnrunzeln gegenüber: SSRI, Moment, ich gucke mal nach, eigentlich könnte das gehen. Blättern, lesen, ah ja, hier stehts, sie dürfen. Wird gekennzeichnet und nicht an Kinder gegeben, aber ansonsten unproblematisch. Ob ich wolle? Aber hallo, ich wollte.
Bilder oder nicht passsiert, sagen wir hier im Internetz, und natürlich knipste ich direkt die erste Abzapfaktion seit Jahrzehnten und ab dafür auf FB und Mastodon. Und nun mag man sich streiten, ob jede gesellschaftlich sinnvolle Tat zur Mehrung des Selbstlobs in die Welt verkündet werden muss, aber andererseits: ich bin der festen Überzeugung, dass nicht nur mehr Leute als ich Sertralin einnehmen. Ich glaube gar, dass ich nicht der einzige bin, der deswegen nicht mehr zum Blutspenden gehen konnte. Und dann holzt man das Bild von der Spende raus mit der „Wer wie ich bis vor kurzem dachte, unter SSRI gehts nicht… geht wieder, lassts laufen!“-Message, weil irgendwer muss das ja machen. Weiterlesen